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Verhütung Verhütung: Gefühlsecht seit 100 Jahren

Von Michael Ossenkopp 23.11.2012, 16:05

Halle (Saale)/MZ. - Er tauchte Glaszylinder in verflüssigten Naturkautschuk, vulkanisierte den Überzug und rollte ihn ab. Zunächst verkaufte Fromm die nahtlosen Präservative in bescheidenem Rahmen über den Drogeriehandel, doch binnen weniger Jahre wurde er zu einem erfolgreichen Großfabrikanten. Der Siegeszug seiner Erfindung ist bis heute ungebrochen. Denn neben Enthaltsamkeit gilt das Kondom weiter als einzig wirksame Waffe gegen Geschlechtskrankheiten und Aids.

Unter der Bezeichnung "Fromms Act" begann 1916 die Serienfertigung maschinell hergestellter Kondome. Ihre Verbreitung stieg im Ersten Weltkrieg sprunghaft an - in Soldatenbordellen war ungeschützter Geschlechtsverkehr verboten, die deutsche, britische und französische Armee verteilte die Gummiware. Angehörige der US-Army bekamen sie nicht - und erkrankten häufiger an Geschlechtskrankheiten. 1919 stellte Fromm 150 000 Kondome pro Tag her. Die "Frommser" eroberten die Schlafzimmer, dabei halfen Slogans wie "Wenn's euch packt, nehmt Fromms Act". Zwar hatte es schon früher Kondome gegeben, aber Material und Passform waren unzulänglich. Wesentlich dünner waren erst die von Fromm entwickelten Latexkondome, die heute nur noch eine Wandstärke von 0,06 Millimetern haben.

Der Unternehmer eröffnete 1922 in Berlin sein erstes Werk, acht Jahre später folgte eine weitere Fabrik. 1926 produzierte er 24 Millionen Kondome, seine Firma verfügte über Niederlassungen in neun Ländern. Doch er musste gegen moralische Bedenken von Kirche und Politik kämpfen. Auf Reklameschildern vor Drogerien und Friseursalons stand "echte Fromms Gummischwämme" - Werbung für seine Produkte war nicht erlaubt.

Ab 1936 startete das antisemitische Hetzblatt "Der Stürmer" eine Kampagne gegen jüdische Geschäftsleute, unter ihnen auch Julius Fromm. Seine Firma hatte einen Marktwert von rund acht Millionen Reichsmark, aber das Reichswirtschaftsministerium lehnte einen freien Verkauf ab. Auf Geheiß von Göring wurde sie 1938 zum Spottpreis von 200 000 Schweizer Franken (118 000 Reichsmark) zwangsverkauft - an Görings Patentante.

Fromm emigrierte nach London, seine Berliner Villa wurde, nachdem eine Schwester und deren Mann von dort nach Auschwitz deportiert worden waren, einem Oberst zugeschustert. Nach Kriegsende wollte Fromm zurück, doch der 62-Jährige starb am 12. Mai 1945 an Herzversagen.

Als Opfer der Nazi-Diktatur hätten seine Erben die Fabriken zurückbekommen müssen. Doch die Funktionäre aus Ost-Berlin ließen sie dem Bezirk Köpenick übereignen. Fromm wurde als "kapitalistischer Ausbeutertyp mit einer unsozialen, arbeiterfeindlichen und pronazistischen Einstellung" diffamiert. 1949 wurden die Fabriken in "Volkseigentum" überführt, Anträge von einem seiner Brüder auf Rückübertragung abgelehnt.

1947 kaufte Fromms Sohn Herbert die Rechte am Markennamen von einem Vetter Görings zurück und schloss einen Lizenzvertrag mit der Hanseatischen Gummiwarenfabrik. Die daraus entstandene Firma MAPA erhielt später das Patent an Fromms Act. Bei dem nun zum Ölkonzern Total gehörenden Unternehmen werden jährlich 80 Millionen Kondome hergestellt, darunter "Fromms FF". Damit ist MAPA hierzulande Marktführer.