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Universität Leipzig Universität Leipzig: Experte erklärt Herkunft der Familiennamen

19.01.2004, 10:32
Deutschlands einziger Professor für Namenkunde (Onomastik), Jürgen Udolph, erforscht an der Universität in Leipzig mit Hilfe von alten Karten und vielen Literaturunterlagen die Herkunft von Ortsnamen, ihre gesellschaftliche Entwicklung und die ursprüngliche Bedeutung von Orten in Niedersachsen und Sachsen. (Foto: dpa)
Deutschlands einziger Professor für Namenkunde (Onomastik), Jürgen Udolph, erforscht an der Universität in Leipzig mit Hilfe von alten Karten und vielen Literaturunterlagen die Herkunft von Ortsnamen, ihre gesellschaftliche Entwicklung und die ursprüngliche Bedeutung von Orten in Niedersachsen und Sachsen. (Foto: dpa) dpa

Leipzig/dpa. - Binnen weniger Minuten raubt der Leipziger Namenforscher Jürgen Udolph so manchem Menschen die Illusion. Die Ahnen der Familie Trinkebier litten nach Aussage von Deutschlands einzigem Professor für Namenkunde an Trunksucht, die Vorfahren von Fretworts waren Metzger und Lategahns ließen es immer ziemlich ruhig angehen. Auch den Namen von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (Baltisch: Eichhörnchen) hat Udolph dechiffriert. Kopfzerbrechen bereitet dem 60-Jährigen indes «Klohoker».

«Ich glaube zu wissen, dass "hoker" von verhökern oder verkaufen stammt. Aber was ist "Klo"? Klosett macht keinen Sinn», sagt Udolph und legt die Stirn in Falten. Onomastik, zu Deutsch Namenkunde, heißt die Wissenschaft die hinter der «Wortklauberei» steckt. Beim bundesweit einzigen Onomastik-Professor in Leipzig treffen jede Woche Dutzende E-Mails, Anrufe, Briefe aus aller Welt ein. «Die Menschen haben ein unglaubliches Interesse an ihrem Namen, viele sind gar verzweifelt», sagt Udolph.

In der von Montag bis Freitag im Berliner Sender «Radio Eins» ausgestrahlten Sendung «Numen, Nomen, Namen» wird Udolph regelmäßig mit kuriosen Namen konfrontiert, wie Ronellenfitsch. Doch manchmal muss auch der Professor passen. «Ich habe nicht den blassesten Schimmer», musste er schon bekennen. Heute weiß er: Ronellenfitsch ist die Verballhornung des serbischen Verbs «retten» oder «erlösen». «Es hilft, wenn man viele Sprachen kann und deren Grundstruktur kennt», sagt der promovierte Slawistik-Forscher.

«Die spannendsten Namen aber sind aus mehreren Wörtern zusammen gesetzt, zum Beispiel Schimmelpfennig. Das ist jemand, der das Geld solange liegen lässt, bis es schimmelt, ein Geizhals also», erzählt Udolph. «Wissen Sie was der Nachname von Rentenexperte Bert Rürup bedeutet», fragt Udolph schmunzelnd. «Einer seiner Vorfahren muss wohl ein ziemlicher Aufrüher oder Anstifter gewesen sein.»

So simpel die Herleitungen klingen, dahinter steckt harte Faktenrecherche. «Es gibt keine Routine», sagt Udolph. Mehr als hundert Bücher verschiedenster Sprachen säumen die Wände seines Büros, aber der Clou, wie er es nennt, ist eine Telefonbuch-CD-ROM aus Polen. «Die CD hat einen Programmierfehler. Für Namenforscher ist das sensationell.» Udolph gibt den zu suchenden Namen ein und Sekunden später tauchen auf dem Bildschirm blaue Kreuze auf, die die Verteilung des Namens auf einer Deutschlandkarte zeigen. «Wenn ich jetzt einen Ort gleichen Namens finde, kenne ich den Ursprung der Familie», folgert Udolph.

Während seiner Radiosendung hat der mediengewandte Namenforscher oft nur zwei, drei Musiktitel für die Entschlüsselung Zeit. Wer es genauer wissen will, kann unter der kostenpflichtigen Telefonnummer 0190/887735 ein Gutachten anfordern. Familiennamen kosten 50 Euro, Vornamen 40 Euro. Mit dem Geld wird die Stelle von Gabriele Rodriguez finanziert, bei der sich monatlich etwa 350 werdende Eltern über vom Standesamt anerkannte Vornamen für den Nachwuchs erkundigen.

«Viele Väter oder Mütter wollen, dass ihr Kind etwas ganz besonderes wird. Das schlägt sich auch im Namen nieder», sagt Rodriguez. Die Liste reicht von Pumuckl über Bavaria bis zu Ariel. Fast jeder kuriose Vorname hat eine Geschichte: Das Mädchen Andaloucia wurde im Urlaub in Andalusien gezeugt, und Nemax Mutter arbeitet an der Börse. Die beiden Indianerfans, die ihren Sprössling «Crazy Horse» nennen wollten, musste Rodriguez aber enttäuschen.

Namenberatung der Universität Leipzig:
Kostenpflichtigen Hotline 0190 / 887 735