1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Oldenburg: Trauer, Wut und große Demo nach tödlichen Polizeischüssen

Oldenburg Trauer, Wut und große Demo nach tödlichen Polizeischüssen

Ein junger Schwarzer stirbt durch Polizeischüsse von hinten. Zum Gedenken an den 21-Jährigen versammeln sich Tausende. Sie haben Fragen und Forderungen.

Von Helen Hoffmann (Text) und Izabela Mittwollen (Foto) 25.04.2025, 20:58
Die Anteilnahme nach den tödlichen Schüssen aus einer Polizeiwaffe auf den 21 Jahre alten Lorenz in Oldenburg ist groß.
Die Anteilnahme nach den tödlichen Schüssen aus einer Polizeiwaffe auf den 21 Jahre alten Lorenz in Oldenburg ist groß. Izabela Mittwollen/dpa

Oldenburg - Ein Polizist erschießt einen jungen Mann von hinten. Mitten in der Oldenburger Fußgängerzone. Am frühen Ostersonntag. Der gewaltsame Tod des 21 Jahre alten Lorenz macht viele Menschen fassungslos. Die Tat bewegt Jugendliche, Frauen und Männer über die Grenzen der niedersächsischen Stadt hinweg. 

Zu einer Kundgebung und Demonstration wenige Tage nach den tödlichen Schüssen kommen Tausende Menschen. Die Polizei schätzt die Zahl auf 8.000 bis 10.000. Es sind Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Hautfarbe. Alle fragen sich: Warum musste dieser junge schwarze Mann sterben? 

Spielte Rassismus eine Rolle?

Viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Demonstration in der Oldenburger Innenstadt halten Schilder hoch. Manche klagen an: „Er wurde ermordet. Kein Vergeben. Kein Vergessen.“ Andere formulieren mit Fragezeichen: „Tödliche Gewalt? Oder tödlicher Rassismus?“ Einig sind sich alle im Gedenken an Lorenz und andere Opfer von tödlicher Polizeigewalt in Deutschland, die namentlich erwähnt werden. Auf Bitten eines Redners schweigt die Menge - für viele ein emotionaler Moment. 

Rednerinnen und Redner sowie zahlreiche Menschen im Publikum kritisieren strukturellen Rassismus. Tödliche Polizeigewalt treffe vor allem schwarze Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund, sagen sie. Dies müsse aufhören. Alle Taten müssten lückenlos aufgeklärt werden. 

Von hinten erschossen

Wie es zu tödlichen Schüssen auf den 21 Jahre alten Lorenz kam, ist bislang unklar. Fest steht, dass ein 27-jähriger Polizeibeamter fünfmal in Richtung des jungen Mannes schoss und ihn mindestens dreimal von hinten in Oberkörper, Hüfte und Kopf traf. Ein vierter Schuss soll den Oberschenkel gestreift haben. Der junge Deutsche erlitt lebensgefährliche Verletzungen und starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Der Polizist wurde vorläufig vom Dienst suspendiert. Gegen ihn wird wegen Totschlags ermittelt - das übliche Verfahren in solchen Fällen.

Nach den bisherigen Ermittlungen der Polizei hatte es vor den tödlichen Schüssen eine Auseinandersetzung vor einer Diskothek gegeben. Danach floh der 21-Jährige durch die Innenstadt und soll Verfolgern mit einem Messer gedroht haben. Dann traf er auf Einsatzkräfte der Polizei und sprühte mit Reizstoff.

Wunsch nach gerechter Strafe

Am Tatort in der Oldenburger Innenstadt liegen viele Blumen, Kerzen und persönliche Botschaften, die an Lorenz erinnern und Gerechtigkeit fordern. „Man sollte nicht so sterben“, sagt der 14-jährige Richart, der vor der Demonstration gemeinsam mit Freunden am Tatort steht. „Ich wünsche mir, dass der Polizist angeklagt wird und eine gerechte Strafe bekommt.“ 

Viele Menschen bleiben vor den Blumen stehen und halten inne. Einige haben Kerzen dabei und zünden sie an. Der Tod des jungen Mannes gehe ihm nahe, sagt Anton (20). Die Stimmung in diesem Teil der Fußgängerzone sei anders als sonst, wehmütiger und trauriger. Dass die Polizeidienststelle im benachbarten Delmenhorst den Fall untersuche, könne er nicht verstehen. 

„Schüsse von hinten nicht zu rechtfertigen“

Emily Schkrob (19) geht es ähnlich. „Man kennt solche Geschichten aus Amerika“, sagt sie mit Blick auf die Proteste nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd. „Aber man hat einfach nie gedacht, dass so was auch hier passieren kann.“ 

„Mehrere Schüsse von hinten, das ist für uns nicht zu rechtfertigen“, sagt der Sprecher der Oldenburger Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“, Suraj Mailitafi. Kein Mensch habe es verdient, Opfer von Polizeigewalt zu werden. Die Polizei sollte deeskalieren. „Das Vertrauen in eine Institution, die eigentlich uns schützen soll, steht auf dem Spiel“, kritisiert er. Der Fall müsse lückenlos aufgeklärt werden.

Menschen fordern Aufklärung und Gerechtigkeit

Diese Forderung äußern viele an diesem Nachmittag und Abend in Oldenburg. Auch eine Rednerin, die nach eigenen Worten im Namen von Lorenz' Mutter spricht, fordert, dass alle Fragen beantwortet werden müssten. Die Mutter selbst sei nicht in der Lage zur Kundgebung zu kommen. „Sie kann den Schmerz, die Wut und die Trauer kaum ertragen“, sagt die sichtlich traurige Rednerin. Wie andere bittet auch sie die Menge, friedlich und respektvoll zu demonstrieren. Dies wünschten sich die Angehörigen, sagte sie. Es gehe um ein würdevolles Gedenken ohne Gewalt.

Die Anteilnahme ist auch in anderen Städten groß. In Berlin, Hannover, Braunschweig, Düsseldorf, Bochum, Frankfurt, Stuttgart, München und Wien wurde zu Demonstrationen und Mahnwachen aufgerufen.

Die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft laufen derweil weiter. Die Ermittler werten Video- und Audioaufnahmen aus, prüfen das Handy des Schützen und den polizeilichen Funkverkehr aus der Nacht. Die Staatsanwaltschaft bittet die Bevölkerung um Mithilfe. Wer Hinweise zu den Geschehnissen machen kann, solle sich bei der Polizei Delmenhorst melden. Ziel sei eine lückenlose Aufklärung, hieß es.