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Undercover-Reporterin deckt auf Undercover-Reporterin deckt auf: Katastrophale Arbeitsbedingungen bei Zalando in Erfurt

15.04.2014, 13:50
Ein Mitarbeiter verpackt in Erfurt im Zalando-Logistikzentrum die Ware.
Ein Mitarbeiter verpackt in Erfurt im Zalando-Logistikzentrum die Ware. dpa/Archiv Lizenz

Drei Monate lang hat die junge TV-Reporterin Caro Lobig undercover für den Fernsehsender RTL im Erfurter Lager des beliebten Online-Händlers Zalando gearbeitet, um dort die Zustände und die Arbeitsbedingungen zu dokumentieren. Mit Unterstützung des für derartige Aktionen bekanntgewordenen Enthüllungs-Journalisten Günter Wallraff deckte die Reporterin dort erschreckende Missstände auf und kam sogar selbst körperlich an ihre Grenzen. Am Montag wurde die Reportage über den Undercover-Einsatz ausgestrahlt.

"Wir standen ständig unter Kontrolle und enormem Leistungsdruck", so Lobig. Gearbeitet wird mit einem Scanner, die damit erfassten Zahlen würden aber auch zur Überwachung der Leistung der Mitarbeiter missbraucht, so die Journalistin. Somit lassen sich sowohl die verarbeitete Stückzahl als auch die Arbeitsfrequenz des Mitarbeiters ablesen. Wer nicht spurt, wird sofort zum Teamleiter zitiert.

Trotz einer 40-Stunden-Pauschale im Arbeitsvertrag würden die Lagerarbeiter ständig mit den Zahlen unter Druck gesetzt und Akkordarbeit verlangt.

Bespitzelung wird belohnt

Wie die Reporterin weiter berichtet, müssten sich die Mitarbeiter zudem ständige Diebstahlkontrollen gefallen lassen. Beim Verlassen des Gebäudes würden sie willkürlich in einen Nebenraum zitiert, wo sie mit Detektoren von Sicherheitskräften abgescannt würden. Arbeitsrechtlich ist dies nicht zulässig, da es sich dabei um eine "Pauschalverdächtigung" handelt. Bei Zalando ist das Recht auf diese Form von Kontrollen sogar in einer Dienstanweisung, ergänzend zum Arbeitsvertrag festgehalten.

500 Euro Belohnung winken dem Mitarbeiter, der seinen Kollegen wegen Diebstahls verpetzt. Arbeitsrechtler Dr. Sven Jürgens sagt dazu: "Da hat man mit einer Zeile in dieser Erklärung das komplette Betriebsklima versaut, weil damit Bespitzelung wechselseitig unterstützt wird."

Viele Mitarbeiter würden auch große Probleme mit den körperlichen Strapazen der Tätigkeit und nur schwer damit zurechtkommen. Fast täglich müsste der Rettungsdienst gerufen werden.

Die sogenannten Picker, Mitarbeiter, die Bestellungen aus den Regalen zusammenstellen, laufen täglich zwischen 15 und 20 Kilometern. In der Spitze bis zu 27 Kilometer.

Permanente Kontrollen und Überwachung

"Sitzen ist generell unerwünscht", so Lobig. "Da kommt es schnell zur Konfrontation mit dem Teamleiter." Auch die Reporterin erlitt einen Kreislaufzusammenbruch. Auf medizinische Versorgung wurde in ihrem Fall jedoch verzichtet und stattdessen eine Verzichtserklärung präsentiert. Wer eine solche unterschreibt, verzichtet damit auf den Versicherungsschutz durch den Arbeitgeber. Auch dies ist - ohne vorher dem Arbeitnehmer einen Rettungswagen empfohlen zu haben - arbeitsrechtlich ein eindeutiger Verstoß gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Und damit die Mitarbeiter nicht auf den Gedanken kommen, sich zu wehren, werden sie durch sogenannte "Mentoren" bespitzelt und zu ihrer gewerkschaftlichen Gesinnung oder zum Thema Betriebsrat gezielt befragt. Verdi-Vertreterin Marlen Schröder: "Die Gewerkschaftsarbeit bei Zalando gestaltet sich relativ schwierig. Da die Menschen unter permanenter Kontrolle und Überwachung stehen. Wir können keine Aktionen im Betrieb planen, weil die Menschen befristet beschäftigt sind und Gewerkschaft bei Zalando nicht gerne gesehen ist." Das Motto des Hauses: "Schrei vor Glück!" scheint jedoch zumindest für die Mitarbeiter im Lager Erfurt nicht zu gelten.

Zalando äußerte sich nach Angaben des Senders nicht zu den Vorwürfen und Ereignissen. Dem Widersprach das Unternehmen Zalando am Dienstag und verwies auf ein veröffentlichtes Statement zu den vorgebrachten Darstellungen und Vorwürfen.

(mz/mad)