Ein halbes Leben am "Tatort" Ulrike Folkerts ist seit 30 Jahren "Tatort"-Kommissarin
Es ist eine Doppelexistenz: Ulrike Folkerts spielt schon mehr als die Hälfte ihres Lebens eine Rolle. Seit 30 Jahren ist die heute 58-Jährige die Ludwigshafener „Tatort“-Kommissarin Lena Odenthal – und damit die Dienstälteste unter den Kollegen. 70 Mal ermittelte sie im Lauf der Jahrzehnte. Am Sonntag wird die Jubiläumsausgabe gesendet.
Der Anfang
Ein „Jeansmädchen“ suchte der SWR Ende der Achtziger als Nachfolgerin von Kommissarin Wiegand, gespielt von der eher feinen und zarten Karin Anselm. Es sollte ein unverbrauchtes Fernsehgesicht sein. Ulrike Folkerts hatte erst kurz zuvor in Hannover ihre Schauspielausbildung abgeschlossen und zwei Jahre lang am Staatstheater Oldenburg gespielt. Der erste Film mit ihr – „Die Neue“– lief am 29. Oktober 1989.
Der Frauentyp
Ulrike Folkerts: „Ich finde, dass der SWR mit Lena Odenthal einen neuen Frauentyp im TV kreiert hat. Lena war schon immer ein bisschen ruppig, sperrig und streitbar, sie wurde ja sogar als weiblicher Schimanski bezeichnet.“ Für ihre Kurzhaarfrisur habe sie aber an Anfang kämpfen müssen. Und als sie irgendwann schulterlange Locken trug, gab es Schlagzeilen.
Das Private
Lena Odenthals Privatleben ist kompliziert und weitgehend unbekannt. Sie lebt alleine mit ihrer Katze, hat keine Beziehung. Sie lebt für ihren Job. Ihre Gefühlswelt ist ein Geheimnis.
Ulrike Folkerts lebt seit gut 20 Jahren offen homosexuell. Seit mittlerweile 16 Jahren ist sie mit ihrer Partnerin Katharina Schnitzler zusammen, die beiden wohnen in Berlin. Das Outing war nicht leicht. „Das war, wie durch eine Welle geschleudert zu werden“, sagt sie der „Bunten“. „Wenn man entdeckt, dass man homosexuell ist, stellt sich das Leben auf den Kopf. Mich zu outen, war ein riesiger Kraftakt.“
Folkerts veröffentlichte 2008 ein Buch mit ihrer Partnerin. Damals sagte die Schauspielerin, ihre Homosexualität sei kein Thema mehr für sie. „Aber ich bekomme immer noch Post von Menschen, die emotional leiden, Angst haben, verstoßen zu werden, wenn sie offen zu ihrer Homosexualität stehen.“
Die Experimente
Die Macher der Ludwigshafen-Krimis sind für Neues offen. 1997 stellte der damalige Südwestfunk die erste Webseite zu einer „Tatort“-Folge online. Komplett zum Ermittler befördert wurde der Zuschauer 2012 im Rahmen von „Tatort Plus“. Bei der unaufgelösten Episode „Der Wald steht schwarz und schweiget“ konnten Zuschauer im Nachgang im Internet mit zahlreichen Hinweis-Videos und der Ermittlungsakte den Fall lösen. 2017 gab es die „Tatort“-Ausgabe „Babbeldasch“, in der Pfälzisch geredet und improvisiert wurde. Auch für „Waldlust“ 2018 gab es kein Drehbuch.
Der Rollen-Wechsel
Ein „Tatort“-Kommissar zu sein, ist für Schauspieler so etwas wie eine Lebensversicherung. Doch je länger man eine beliebte Rolle spielt, desto schwieriger wird es, auszubrechen. „Die Fantasie, mich auch mal anders zu besetzen, ist nicht so ausgeprägt, weil der Stempel »Tatort« an mir klebt“, sagte sie vor einem Jahr dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Dementsprechend sah man sie selten außerhalb von Ludwigshafen. 2018 spielte Folkerts zum ersten Mal in einer Pilcher-Verfilmung im ZDF mit – ein ziemlich krasser Imagewechsel. „Ich wünsche mir ja schon lange kontrastreichere Rollen – und mehr Kontrast als »Tatort« und Pilcher geht ja nicht.“
So ein Pilcher hat natürlich andere Regeln als ein „Tatort“. „Ihr könnt mich doch nicht in ein Chanel-Kostüm stecken. Das geht nicht, ich will nicht“, sagte sie zu Drehbeginn. Aber dann habe sie sich sehr wohl darin gefühlt. „Das ist saubequem.“
Die Trennung
21 Jahre lang arbeitete Folkerts mit Andreas Hoppe zusammen, der „Mario Kopper“ spielte – und der sie stets mit Grappa und Pasta aufpäppelte. 2018 verließ Hoppe den „Tatort“ – und das nicht ganz freiwillig. „Der Schmerz findet da schon statt“, sagte er. „Ich mochte die Figur sehr, deshalb habe ich sehr darum gekämpft und versucht, sie zu verteidigen und zu schützen.“
Mit „tollen Ideen“ habe er die Redaktion füttern wollen, aber „das wollten die alles nicht“. Deshalb sei es gut, dass die gemeinsame Entscheidung für das Aus gefallen sei. Folkerts ermittelt seitdem mit Lisa Bitter als Kommissarin Johanna Stern.
Die Statistik
Wer alle „Tatorte“ mit Ulrike Folkerts gucken möchte, müsste mehr als vier Tage vor dem Fernseher sitzen. In 70 Odenthal-„Tatorten“ gab es insgesamt 142 Leichen. Davon waren 62 Prozent männlich, 38 Prozent weiblich. Überdurchschnittlich viele gibt es in der Jubiläumsausgabe „Die Pfalz von oben“ – und zwar fünf.
Die Jubiläumsfolge
„Tod im Häcksler“ von 1991 war zwar nicht Folkerts allererster Einsatz, aber die Folge gilt als ihr Durchbruch und als eine der besten überhaupt. Damals an ihrer Seite: der blutjunge Ben Becker, mit dem sie in dieser Folge eine Romanze hat.
Für Becker war es eine seiner ersten Hauptrollen. In der Jubiläumsfolge treffen sich die beiden wieder. „Ich habe mir natürlich den Film von vor 28 Jahren angeschaut, da sind wir jung, schön – und sehr süß. Wir waren so schlimm verknallt damals“, sagte Folkerts am Rande der Dreharbeiten. Szenen aus dem alten Krimi werden im aktuellen als Rückblenden gezeigt.
Die Zukunft
Nochmal: „Tatort“-Kommissar zu sein, ist nicht nur finanziell ein Hauptgewinn für Schauspieler. Ulrike Folkerts denkt also nicht ans Aufhören. „So lange ich rennen kann und schießen kann, werde ich diese Lena Odenthal gerne weiter spielen. Im Moment macht es mir total viel Spaß. Wir haben richtig gute Stoffe.“
Und mit der neuen Partnerin an ihrer Seite müsse sich sie ja auch wieder neu positionieren in der „Tatort“-Welt. „Ich bin jedenfalls mit Leidenschaft dabei.“