1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Tradition: Tradition: Nikolaus früher und heute

Tradition Tradition: Nikolaus früher und heute

05.12.2014, 10:53
In der Adventszeit kann man sich gut als Nikolaus oder Weihnachtsmann verkleiden.
In der Adventszeit kann man sich gut als Nikolaus oder Weihnachtsmann verkleiden. dpa Lizenz

Berlin/München - Ein paar Wochen vor Heiligabend finden viele Kinder Süßes in ihren Stiefeln - und manchmal auch größere Gaben. Nikolaus sei ein „Geschenkfest vor Weihnachten und immer noch ein Erziehungsmittel, wenn auch in abgeschwächter Form“, sagt die Kulturwissenschaftlerin Annegret Braun im Interview.

Seit wann werden eigentlich Geschenke im Stiefel gesteckt?

Braun: Dass der Nikolaus als unsichtbarer Gabenbringer unbemerkt etwas einlegt, entstand im Mittelalter in den Klosterschulen und geht auf die Jungfrauenlegende zurück: dass er drei armen Jungfrauen goldene Äpfel hingelegt hat, damit sie sich standesgemäß verheiraten können. Im 19. Jahrhundert hat sich dieser Schenkbrauch dann in allen Bevölkerungsgruppen verbreitet. Dass der Nikolaus als sichtbarer Gabenbringer in die Häuser kommt, ist seit dem 17. Jahrhundert belegt. Hier ist die Bedeutung des Belohnens und Bestrafens wichtig. Die Kinder mussten Gedichte und Gebete aufsagen.

Hat man ursprünglich nur Kinder oder auch Erwachsene bedacht?

Braun: Auch Erwachsene. Mägde und Knechte bekamen an Nikolaus nützliche Dinge, wie zum Beispiel eine Schürze oder Socken. Das war Teil des Lohnes.

Seit rund 1000 Jahren zieht er um den 6. Dezember durchs Land und beschenkt brave Kinder. Oft stellen sie am Vorabend Stiefel vor die Tür, die nachts gefüllt werden. In manchen Gegenden kommt Nikolaus im Bischofsgewand. Um freche Kinder zu bestrafen, hat er oft den grimmigen Begleiter Knecht Ruprecht oder Krampus dabei. Der Heilige gilt als Verschmelzung von zwei historischen Persönlichkeiten: von Bischof Nikolaus von Myra (um 280 bis um 350) und vom 564 gestorbenen Abt Nikolaus des Klosters Sion.

Nach der Reformation löste es in evangelischen Gebieten Sankt Nikolaus als Gabenbringer ab. Als Gegner der Heiligenverehrung ersetzte der Reformator Martin Luther den Heiligen Nikolaus durch das Christkind, das zwar den neugeborenen Christus darstellen sollte, oft aber als Mädchen im Engelsgewand erscheint. Heute schreiben vor allem Kinder aus den mehrheitlich katholischen Regionen Wunschzettel ans Christkind, Kinder aus protestantischen Gegenden an den Weihnachtsmann.

Der bärtige alte Mann reist Heiligabend auf einem fliegenden Rentierschlitten von Haus zu Haus und verteilt Geschenke. Seinen roten Mantel verdankt er wohl Sankt Nikolaus. Stiefel, Sack und Rute wurden von Knecht Ruprecht übernommen. Niederländische Auswanderer brachten Nikolaus (Sinterklaas) im 17. Jahrhundert mit nach Amerika. Aus dieser Figur entwickelte sich der amerikanische Santa Claus, der als Weihnachtsmann nach Europa zurückkehrte.

In Schweden kommt zum Höhepunkt der Adventszeit am 13. Dezember die weiß gekleidete Lucia-Königin mit einem Kranz brennender Kerzen auf dem Kopf. Die traditionelle nordische Lichtergestalt erinnert an die Heilige Lucia, die um das Jahr 300 den Märtyrertod erlitt. An Heiligabend bringt dann der Weihnachtswichtel Jultomte schwedischen Kindern Geschenke.

Der Name des Wichtels aus Dänemark ist von Nikolaus abgeleitet, seine rote Zipfelmütze erinnert an den Weihnachtsmann, in Dänemark Julemand genannt. Nisse ist der Brauch des Wichtelns in der Adventszeit zu verdanken. Dabei werden anonym kleine Geschenke verteilt. An Heiligabend wird Nisse zum Dank für seine Gaben ein Teller Brei vor die Tür gestellt.

In Spanien gibt es erst am 6. Januar Geschenke. Dann ziehen die Heiligen Drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar mit ihren Gaben durch die Dörfer. Der Brauch geht darauf zurück, dass das Jesuskind zwar am 24. Dezember geboren wurde, die Könige aber erst im Januar eintrafen, um ihm zu huldigen.

In Italien bringt erst seit wenigen Jahren der Weihnachtsmann Geschenke. Früher mussten Kinder bis zum 6. Januar warten. Dann flog die Hexe auf ihrem Besen von Haus zu Haus. Ihr Name ist abgeleitet vom Fest Epiphanias (Erscheinung des Herrn) am 6. Januar. Der Legende nach verpasste sie die Bescherung des Jesuskindes durch die Heiligen Drei Könige. Seitdem sucht Befana jedes Jahr das Christkind. Bis sie es gefunden hat, beschenkt sie alle Kinder.

Woher kommt die Nikolaus-Figur?

Braun: Die Figur des Nikolaus ist nicht nur auf den Bischof von Myra zurückzuführen. Dahinter stecken zwei Figuren, nämlich auch noch der im sechsten Jahrhundert gestorbene Abt von Sion und Bischof von Pinora in Kleinasien. Die beiden Figuren sind zu einer verschmolzen, zu einem Barmherzigen, der Gutes tut. Das ist alles mit Legenden zusammengeflossen, aus diesen haben sich die Bräuche entwickelt.

Das Bischofsspiel und Nikolaus-Laufen der Klosterschüler zum Beispiel begann ab dem 14. Jahrhundert. Einer der Schüler wurde zur Bischofsfigur gewählt. Der Knabenbischof wurde mit der Zeit immer lächerlicher gestaltet. Und der Umzug und das Betteln an den Häusern uferte immer mehr aus und wurde deshalb von der Obrigkeit Ende des 18. Jahrhunderts verboten.

Als im Bürgertum die Kindheit so wichtig wurde, war der Nikolaus ein starkes religiöses Erziehungsmittel. Der Begleiter - Knecht Ruprecht oder Krampus - war derjenige, der bestrafte, entweder mit der Rute oder indem er androhte, das Kind in den Sack zu stecken und mitzunehmen. Man kann sich vorstellen, welche Ängste die Kinder ausgestanden haben. Heute ist es so, dass man davon abkommt und eher Engel als Begleiter nimmt.

Welche Bedeutung hat denn das Nikolaus-Fest heute?

Braun: Es ist ein Geschenkfest vor Weihnachten und immer noch ein Erziehungsmittel, wenn auch in abgeschwächter Form. Die Kinder werden belohnt durch die Süßigkeiten, die sie bekommen. Früher hat man nur Nüsse oder Äpfel oder nützliche Dinge bekommen. Heute gibt es zum Teil richtig große Geschenke. (dpa)