Sturmtief Sturmtief: Orkan "Xaver" wütet in Norddeutschland

Hamburg/dpa - Der Orkan „Xaver“ hat die deutsche Küste mit großer Wucht getroffen. Der Sturm drückte die tosende Nordsee gegen die Deiche, knickte Bäume um und beschädigte Dächer. Die Halligen meldeten am Donnerstag „Land unter“. Das Unwetter mit gefährlichen Böen und Schnee legte das Leben von Millionen Menschen im Norden Europas lahm. In Großbritannien starben zwei Menschen. An vielen Schulen in Norddeutschland fiel der Unterricht aus. Zahlreiche Flüge wurden gestrichen, auch der Bahnverkehr war gestört. Für die Nacht wurde eine weitere Sturmflut erwartet.
Noch bis zum Freitag, dem Nikolaus-Tag, sollte „Xaver“ toben - das ist länger als der verheerende Sturm „Christian“ vor bald sechs Wochen. Das Orkantief hatte am Donnerstagmittag die deutsche Nordseeküste erreicht und wütete zunächst mit Böen von um die 120 Stundenkilometern. Am frühen Abend waren es in List auf Sylt 133 Stundenkilometer. Und die Gefahr war längst noch nicht gebannt.
Schleswig-Holstein überstand die erste Phase des Unwetters nach frühen Zwischenbilanzen glimpflich. Die Sylter Nordseeklinik berichtete von vier Leichtverletzten im Zusammenhang mit „Xaver“. Im nördlichsten Bundesland gab es bis zum Abend insgesamt nicht so viele Feuerwehreinsätze wie befürchtet - und weniger als bei Oktober-Orkan „Christian“. Damals starben europaweit bei Sturmböen bis zu 172 Stundenkilometern mindestens 16 Menschen.
Für Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) zeigte das Orkantief, wie wichtig langfristig angelegter Küstenschutz ist. „Den Lohn werden wir heute Nacht einfahren“, sagte er der dpa. „Die Deiche sind mächtig und stabil.“ Erstmals wurde in Husum ein Sturmflut-Lagezentrum eingerichtet.
Orkantief „Xynthia“ zieht eine Schneise der Verwüstung durch Westeuropa. In Deutschland wüten die bis zu 166 Kilometer schnellen Böen am heftigsten in Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Der Sturm richtet Milliardenschäden an, sieben Menschen in Deutschland sterben.
„Emma“ wütet über Europa, bundesweit sterben sieben Menschen. In Hamburg entgeht ein Lufthansa-Airbus nur knapp einer Katastrophe, als eine Tragfläche die Landebahn berührt.
Orkan „Kyrill“ tobt in Europa. 47 Menschen sterben, 11 von ihnen in Deutschland. Erstmals in der Geschichte der Bahn steht der Schienenverkehr fast völlig still. Versicherer schätzen die Schäden auf mehr als 2,3 Milliarden Euro.
„Dorian“ braust durch Deutschland, Österreich, Tschechien und die Schweiz. Mehrere Menschen kommen ums Leben. Etwa 100 000 Haushalte in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg sind zeitweise ohne Strom.
„Erwin“ trifft mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 181 Stundenkilometern auf die deutsche Nordseeküste. In Schweden, Dänemark, Großbritannien und Irland sind etwa eine halbe Million Haushalte zeitweise ohne Strom. Mindestens 14 Menschen sterben.
Orkan „Anna“ erreicht in der norddeutschen Tiefebene Spitzengeschwindigkeiten von fast 180 Stundenkilometern. Mindestens drei Menschen fallen ihm zum Opfer.
Die nordfriesischen Halligen meldeten am frühen Nachmittag „Land unter“. Inseln waren vom Festland abgeschnitten, die Fähren stellten den Betrieb ein. Auch in Richtung Helgoland ging nichts mehr.
Im Westen Mecklenburg-Vorpommerns wurden Bäume umgerissen. Die Polizei warnte angesichts vorhergesagter Orkanspitzen bis 140 Kilometer pro Stunde vor Fahrten mit dem Auto.
Stefan Kreibohm, Meteorologe beim Wetterdienst Meteomedia auf der Ostsee-Insel Hiddensee, rechnete mit Windspitzen von 180 Kilometern pro Stunde. Den Küstenbewohnern empfahl er: „Handy aufladen, Batterien für Taschenlampen bereithalten, alle Türen verschließen und nicht rausgehen.“
Zunächst hatte „Xaver“ in Großbritannien katastrophale Zustände angerichtet. In Schottland waren am Nachmittag 100 000 Häuser ohne Strom. Ein Mann starb in einem Park in der englischen Grafschaft Nottinghamshire, nachdem ein Baum auf ihn gefallen war. Zuvor wurde in Schottland der Fahrer eines Lastwagens getötet, als sein Fahrzeug umkippte.
Der Verkehr im Süden Skandinaviens war über weite Strecken lahmgelegt. In Dänemark fuhren keine Züge mehr, alle größeren Brücken waren gesperrt, Fähren blieben in den Häfen. Von den Flughäfen in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen und im norwegischen Oslo starteten Maschinen nicht oder verspätet.
Auch an Flughäfen wie München, Düsseldorf oder Köln/Bonn wirkte sich der Sturm aus. In Hamburg wurden bis zum Abend fast alle Starts und Landungen gestrichen. Auch für Freitag gab es weitere Absagen.
Den Bahnverkehr bremste der Sturm ebenfalls aus: Auf mehreren Strecken etwa in Schleswig-Holstein wurde die Geschwindigkeit von Dieseltriebwagen gedrosselt. Der „Sylt Shuttle“ fuhr nicht mehr. Züge zwischen Kiel und Eckernförde sowie Kiel und Lübeck fielen aus. Im Nordosten war der Bahnverkehr ebenfalls gestört. Zwischen Rostock und Stralsund blockierte ein Baum ein Gleis.
In Schleswig-Holstein und Hamburg ist auch am Freitag schulfrei, ebenso an den staatlichen Schulen in Mecklenburg-Vorpommern. Weihnachtsmärkte waren vielerorts geschlossen oder machten vorzeitig dicht. Zahlreiche Veranstaltungen wurden abgesagt.
In Hamburg wurden erst am Freitagmorgen die höchsten Wasserstände der Elbe erwartet. Der Fischmarkt stand bereits am ersten Tag des Sturms unter Wasser. Außergewöhnlich große Schiffe durften weder in die Elbe einlaufen noch den Hamburger Hafen verlassen.


