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Stephanie-Prozess in Dresden Stephanie-Prozess in Dresden: Martyrium dauerte fünf Wochen

Von Simona Block und Ralf Hübner 06.11.2006, 10:14
Der Angeklagte Mario M. (36) wartet am Montag (6. November) im Dresdner Landgericht auf den Prozessbeginn. (Foto: dpa)
Der Angeklagte Mario M. (36) wartet am Montag (6. November) im Dresdner Landgericht auf den Prozessbeginn. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Dresden/dpa. - Stephanie habe dem kahlköpfigen, untersetzten Mann an den 36 Tagen ihrer Gefangenschaft jederzeit und in unerträglicher Form zu Willen sein müssen, sagte Staatsanwältin Liane Pospischil. Der gelernte Anlagenbauer versuchte sich zunächst der öffentlichen Verhandlung zu entziehen, legte aberspäter hinter verschlossenen Türen ein umfassendes Geständnis ab.

Der 36 Jahre alte Angeklagte, der am Morgen den wartendenFotografen und TV- Kameras den Rücken zugewandt hatte, zeigte sichder Konfrontation mit den Tatvorwürfen nicht gewachsen. Er sprangplötzlich von seinem Stuhl auf, als wolle er sich auf dieStaatsanwältin stürzen. Sechs Justiz- und Polizeibeamte konnten denkräftigen Mann nur mit Mühe wieder auf den Stuhl zwingen. Er wurde inHandschellen aus dem Saal geführt, die Sitzung unterbrochen. FürNebenkläger-Anwalt Ulrich von Jeinsen, der Stephanie und ihre Elternvertritt, zeigt die Aktion die «Durchtriebenheit und hoheGefährlichkeit» des Mannes, der das Gericht über seineVerhandlungsfähigkeit täuschen wolle.

Der Vorfall und ein Gespräch mit dem Richter verschafften demAngeklagten dann zumindest Ruhe vor den Kameras und Objektiven, durchdie er sich bedrängt fühlte: eine Glastür mit Blick auf den Gang zumHaftkeller wurde provisorisch mit schwarzem Stoff verhängt. Unwillig,die Augen zu Boden gerichtet, lümmelte Stephanies Peiniger scheinbaremotionslos auf der Anklagebank. Mit der Hand vor dem Gesicht undseinem Verteidiger neben sich suchte er Schutz vor den Blicken derrund 40 Journalisten aus ganz Deutschland und Publikum.

Der Mann habe Stephanie körperlich misshandelt und gesundheitlichgeschädigt und dabei auch Videos hergestellt. Die Anklage lautetkonkret auf Geiselnahme, Vergewaltigung, schweren sexuellenKindesmissbrauch, Körperverletzung und Erwerb kinderpornografischerSchriften. Der mit zwei Hunden zusammen lebende mutmaßliche Täterhatte das Mädchen vom 11. Januar an fünf Wochen in seiner Wohnungeingesperrt und gequält.

Laut Anklage hatte er die Entführung lange vorbereitet, dasMädchen über sechs bis acht Wochen auf dem Schulweg beobachtet undKleidung für den geplanten Missbrauch besorgt. Zudem baute er eineknapp ein Meter lange sowie je 50 Zentimeter breite und hoheSperrholzkiste, in der er das Kind bis zu 35 Minuten lang gefesseltund geknebelt einsperrte, wenn er die Wohnung verließ.

Stephanie und ihre Eltern, die als Nebenkläger zugelassen sind,ersparten sich die Begegnung mit dem Peiniger ihrer Tochter, die ihreRettung der eigenen Courage verdankt: Die Schülerin hatte in ihremGefängnis Zettel verfasst und sie bei nächtlichen Spaziergängen mitdem Entführer heimlich fallen lassen. Am 15. Februar dann fandendlich ein Passant einen dieser Hilferufe und brachte ihn zurPolizei, die das Mädchen befreite.

Für den Prozess sind neun Verhandlungstage geplant. DemAngeklagten droht eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren undSicherungsverwahrung. Der Angeklagte hatte nach der Verurteilungwegen Kindesmissbrauchs 1999 eine Gutachterin getäuscht und war nachzwei Dritteln der Strafe auf Bewährung entlassen worden.

Das von der Polizeidirektion Dresden am 9. Februar 2006 veröffentlichte undatierte Foto zeigt die 13-jährige Stephanie aus Dresden. Das Mädchen war am 11. Januar 2006 auf dem Schulweg von einem vorbestraften Sexualtäter entführt worden und 36 Tage in der Gewalt des Mannes. (Foto: dpa)
Das von der Polizeidirektion Dresden am 9. Februar 2006 veröffentlichte undatierte Foto zeigt die 13-jährige Stephanie aus Dresden. Das Mädchen war am 11. Januar 2006 auf dem Schulweg von einem vorbestraften Sexualtäter entführt worden und 36 Tage in der Gewalt des Mannes. (Foto: dpa)
Polizei