1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. „Sehr erfreulicher Trend“: So wenig Verkehrstote wie nie in über 70 Jahren

„Sehr erfreulicher Trend“ So wenig Verkehrstote wie nie in über 70 Jahren

347 Verkehrstote - das ist die niedrigste Zahl seit Start der Statistik in Niedersachsen. Rasen bleibt die Todesursache Nummer eins auf den Straßen. Die Innenministerin mahnt.

Von Thomas Strünkelnberg, dpa 07.04.2025, 13:04
„Rasen ist weiterhin die Todesursache Nummer eins auf unseren Straßen“, sagte die Innenministerin.
„Rasen ist weiterhin die Todesursache Nummer eins auf unseren Straßen“, sagte die Innenministerin. Michael Matthey/dpa

Hannover - Im niedersächsischen Straßenverkehr sind im vergangenen Jahr 347 Menschen ums Leben gekommen - das ist die niedrigste Zahl in über sieben Jahrzehnten. „Das ist ein historischer Tiefstand“, sagte Innenministerin Daniela Behrens. Dennoch betonte die SPD-Politikerin: „Jeder Mensch, der bei einem Verkehrsunfall stirbt, ist einer zu viel.“

Wie aus der vom Innenministerium vorgelegten Verkehrsunfallstatistik für 2024 hervorgeht, gab es 18,2 Prozent oder 77 Tote weniger als im Jahr zuvor. Damit lag die Zahl der Verkehrstoten auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der statistischen Erhebungen vor mehr als 70 Jahren. Allerdings: In der Gruppe der jungen Erwachsenen und bei den sogenannten Baumunfällen stieg im vergangenen Jahr die Zahl der Todesopfer. 

Das habe „auch etwas mit Tempo zu tun“, mahnte die Ministerin. Trotz der „wirklich guten Botschaften“ gelte: „Rasen ist weiterhin die Todesursache Nummer eins auf unseren Straßen.“ Sie müsse „zur Kenntnis nehmen, dass sich weiter zu viele Menschen betrunken oder berauscht ans Steuer setzen oder zu schnell unterwegs sind“. 

Weniger Unfälle in Niedersachsen - und weniger Verletzte

Die Zahl der registrierten Verkehrsunfälle sank 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 1,8 Prozent oder 3.929 Unfälle auf insgesamt 209.001 Unfälle. Auch die Zahl der Verletzten nahm ab: Landesweit wurden 4.961 Schwerverletzte gezählt - nach 5.150 im Jahr zuvor. Die Zahl der Leichtverletzten sank leicht, hier gab es einen Rückgang von 36.271 auf 36.083. Auf den niedersächsischen Autobahnabschnitten kamen 20 Menschen ums Leben, das waren 17 weniger als 2023.

Der Rückgang bei den Verkehrstoten galt für alle Straßenklassen. Vor allem innerorts starben weniger Menschen, wie Christoph Falke, Verkehrsreferent im Innenministerium, sagte.

Die Unfallursachen

Die Hauptursache für Verkehrsunfälle mit Todesfolge war den Angaben zufolge zu schnelles Fahren. „Mindestens ebenso gefährlich wie sich mit Alkohol, Drogen oder Medikamenten ans Steuer zu setzen, ist das zu schnelle Fahren“, sagte Behrens. „Es gibt dafür keine Ausrede. Wer zu schnell unterwegs ist, bringt sich und andere in Lebensgefahr.“ 

Die Ministerin kündigte in puncto Geschwindigkeit und Fahrtüchtigkeit verstärkte Kontrollen im laufenden Jahr an - und landesweite Kontrolltermine. Diese sollen dann nicht nur Auto-, Lastwagen- und Busfahrer treffen. Kontrolliert werden sollen auch Motorrad-, E-Scooter- und Radfahrerinnen und -fahrer. Weitere Unfallgründe neben der Raserei: Missachtung der Vorfahrt, Fehler beim Überholen und Abbiegen sowie zu wenig Abstand. 

Die Risikogruppen

2024 starben 6 Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren bei Verkehrsunfällen - damit gab es in der Altersgruppe 4 Todesopfer weniger als im Jahr davor. Ganz anders bei den jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24: In dieser Gruppe starben im vergangenen Jahr 5 Menschen mehr als 2023 – ihre Zahl stieg auf 58. Zwei Drittel von ihnen hätten wegen Fehlverhaltens selbst zum Unfall beigetragen, 49 waren männlich, sagte Falke. 28 starben bei einem Baumunfall. 

Die Zahl der tödlich verunglückten Motorradfahrer blieb 2024 auf dem Niveau des Vorjahres - insgesamt starben 59 Menschen. Behrens mahnte: „Der Start der Motorradsaison steht unmittelbar bevor.“

Unter den älteren Menschen ab 65 gab es im vergangenen Jahr 126 Todesopfer, das waren 16 weniger als 2023. Damit entspricht der Anteil der Senioren an den Verkehrstoten rund 36 Prozent - bei einem Bevölkerungsanteil von fast 23 Prozent, wie das Ministerium mitteilte. 

Unter Fußgängern gab es 44 Todesopfer - 9 weniger als 2023. Außerdem starben 49 Radfahrerinnen und -fahrer. 2023 waren es noch 71. Auffällig dabei: Die Zahl der tödlichen Unfälle mit E-Bike oder Pedelec sank von 33 im Jahr 2024 auf 30 im vergangenen Jahr. Obendrein habe fast die Hälfte der Todesopfer keinen Fahrradhelm getragen, sagte Falke.

Alkohol und Drogen

Wirkt sich die Legalisierung von Cannabis im April 2024 auf den Verkehr aus? Dazu gebe es keine validen Zahlen, auch sei der Grenzwert für den Wirkstoff THC erst im Spätsommer 2024 angepasst worden, teilte das Ministerium mit. Für den berauschenden Wirkstoff gibt es demnach einen gesetzlichen Grenzwert ähnlich wie die 0,5-Promille-Grenze für Alkohol: Erlaubt ist, mit weniger als 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut sowie weniger als 0,5 Promille Alkohol im Blut Auto zu fahren.

Dennoch werden laut Ministerium die Auswirkungen der Cannabislegalisierung fortlaufend betrachtet und bewertet. „Unsere Bedenken gegenüber den mittelfristigen Auswirkungen der Teillegalisierung und der Erhöhung des THC-Grenzwertes bleiben bestehen – gerade auch mit Blick auf die Sicherheit im Straßenverkehr“, sagte Behrens. 

Sie betonte: „Die Zahl der Toten bei Verkehrsunfällen im Zusammenhang mit Alkohol, Drogen oder Medikamenten ist weiterhin zu hoch. Sich betrunken oder im Rausch hinters Steuer zu setzen, ist kein Kavaliersdelikt und muss gesellschaftlich noch stärker geächtet werden.“ 2024 sank die Zahl der tödlich verunglückten Menschen im Zusammenhang mit Alkohol und Drogen auf 23 - ein Jahr zuvor waren es 25.

Baumunfälle und Landstraßen

Zwei Drittel oder 256 der tödlichen Verkehrsunfälle ereigneten sich 2024 auf Landstraßen. Zwar sank die Zahl der sogenannten Baumunfälle von 3.341 auf 3.109, aber die Zahl der Todesopfer stieg: 117 tödliche Baumunfälle wurden im vergangenen Jahr gezählt, im Jahr davor waren es 111. 

Die Unfall-Uhr 2024

Mit Blick auf die sinkende Zahl der Verkehrstoten sagte Behrens, es sei ein „sehr erfreulicher Trend“. Aber trotzdem: Die Polizei nahm 2024 alle 2,5 Minuten einen Verkehrsunfall auf. Alle 2 bis 3 Stunden endete ein Unfall an einem Baum, alle 13 Minuten verunglückte ein Mensch im Straßenverkehr - und fast täglich starb mindestens ein Mensch im Straßenverkehr.