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Wende in Prozess Richter im Halle-Prozess entsetzt über rassistische Inhalte

Das Gericht hat entschieden: Der Angeklagte in Halle hat keinen Anschlag geplant, keine Bombe gebaut und kommt auf freien Fuß. Doch die Richter sprechen eine deutliche Empfehlung aus.

Von Sabina Crisan, dpa 04.02.2025, 15:57
Laut Anklage plante der Mann aus „fremdenfeindlichen und rassistischen Motiven“, die Kofferbombe für einen Anschlag zu nutzen. (Archivbild)
Laut Anklage plante der Mann aus „fremdenfeindlichen und rassistischen Motiven“, die Kofferbombe für einen Anschlag zu nutzen. (Archivbild) Hendrik Schmidt/dpa

Halle - Er habe zwar abartige Sachen gemacht, wie eine tote Taube mit einem Böller in die Luft gesprengt – aber ein Terrorist, der einen Anschlag verüben wolle, würde die Böller nicht verschwenden, sagte der Vorsitzende Richter am Landgericht Halle über den Angeklagten. Der 37-Jährige ist in dem Prozess vom Vorwurf, möglichst viele „dunkelhäutige Menschen“ mit einer Kofferbombe töten zu wollen, freigesprochen worden. 

Die Staatsanwaltschaft warf dem 37-Jährigen vor, er habe aus „fremdenfeindlichen und rassistischen Motiven“ mit einer Kofferbombe möglichst viele Menschen, „insbesondere ausländische Menschen mit dunkler Hautfarbe“, töten wollen. Das sah das Gericht als nicht erwiesen an. 

Das Landgericht verhängte ein Jahr Haft gegen den 37-Jährigen – davon hat er zehn Monate bereits in Untersuchungshaft abgesessen, der Rest wurde aufgehoben, wie der Verteidiger erklärte. Der Mann ist nun auf freien Fuß und müsse sich um eine neue Wohnung kümmern, sagte der Anwalt. „Da, wo er bisher gewohnt hat, wird er in Zukunft Probleme haben.“

Richter: Total unreflektiert, die Nazi-Zeit zu verehren

In seiner Wohnung seien „sehr starke, rechtsradikale, rassistische Inhalte“ gefunden worden, sagte der Richter. Er sagte, die Kammer sei „sehr entsetzt“ von dem menschenverachtenden Inhalt gewesen. Jedoch sei der gefundene Sprengsatz in der Wohnung des Mannes keine Kofferbombe gewesen. Es sei ein Koffer mit einem Böller gewesen, jedoch von vornherein nicht geeignet einen Menschen zu töten, so der Richter.

An einem Vormittag im April 2024 soll der Angeklagte aus einem weit geöffneten Fenster einen Passanten rassistisch beleidigt und mit einem Softair-Sturmgewehr bedroht haben. Passanten hätten SS-Runen an einer der Wände der Wohnung erkannt. 

In der Wohnung wurden neben zahlreichen rassistischen Gedichten, viele nationalsozialistische Symbole gefunden, unter anderem auch Hakenkreuze und auf einer roten Wand gesprühte SS-Runen. Es sei nicht nur rassistisch und menschenverachtend, sondern auch unreflektiert, die Nazi-Zeit auf ein Podest zu stellen, sagte der Richter. Er riet dem Mann dringend, zumindest die von der Straße aus sichtbaren SS-Runen zu entfernen. 

Verteidigung legt keine Revision ein

Das Gericht verhängte die Strafe wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Verstoß gegen das Waffengesetz sowie die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat eine Woche Zeit, um Revision einzulegen. Der Verteidiger hatte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr gefordert – er werde keine Revision einlegen, sagte er. 

Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre und zwei Monate Haft gefordert. In einem emotionalen Plädoyer, betonte die Staatsanwältin, wie viele rassistische Gedichte und Gedanken bei dem Mann gefunden worden seien. Der 37-Jährige sei „fest entschlossen aus rassistischen Motiven“ gewesen, eine sogenannte Splitterbombe zu zünden, eine Symboltat, begründet durch seinen „Hass auf dunkelhäutige Menschen“. 

Ein psychologisches Gutachten verwies auf eine Borderline-Persönlichkeitsstörung des Mannes. Die sei gerade für spontane Taten ein wichtiges Indiz, hieß im Plädoyer. Zudem sei er „extrem alkoholgewöhnt“ und leide an einer lebensbedrohlichen Leberzirrhose. Der Richter entschied sich dennoch gegen eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik.