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Reaktion Reaktion: Wut und Trauer nach großem Schiffsunglück

Von Antje Passenheim 30.09.2002, 13:39

Nairobi/dpa. - Als die Opferzahlenimmer weiter nach oben korrigiert wurden und bei 1000 lag, stieg derZorn über die Nachlässigkeit der Behörden des westafrikanischenStaates.

Unklar war noch, ob das Schiff auf dem Meer überhaupt fahrendurfte. Am Montag wurde bekannt, dass der Havarist in der «NeuenGermersheimer Schiffswerft» im rheinland-pfälzischen Germersheimgebaut worden war. Dessen Geschäftsführer, Georg Höckels, sagte, das79,50 Meter lange Schiff habe bis zu 50 Seemeilen weit aufs Meerhinausfahren dürfen. In einem Schuldgeständnis hatte der hilfloswirkende Präsidenten Abdoulaye Wade dagegen vor der trauernden Mengevon «einer Ansammlung von Fehlern» gesprochen - das Schiff, das für550 Passagiere zugelassen war, sei ohne Zweifel überladen und wohlauch nicht für das Meer zugelassen gewesen.

Ungeachtet dieser noch offenen Frage schrieb die unabhängigeTageszeitung «Sud» von «krimineller Fahrlässigkeit». «Die Tragödieist das Ergebnis von unermesslicher Verantwortungslosigkeit», sagteein Angehöriger dem Radiosender BBC. Der Senegalese Jean-MarieDiatta, der verzweifelt auf eine Nachricht über seine Angehörigenwartete, schob die Schuld der Regierung zu: «Als klar wurde, dass dasSchiff fahruntauglich war, hätte man es ganz aus dem Verkehr ziehensollen.» Der trauernde Mann wusste von einem vorangegangenen Fall, indem eine staatliche Fähre auf derselben Route mit einem Motorschadenin einen Sturm geraten war.

Täglich nutzen Hunderte Senegalesen aus der abgetrennten südlichenProvinz Casamance den Wasserweg, um nach Dakar zu kommen. Viele dermeist armen Menschen aus der landwirtschaftlich geprägten Regionversuchen, ein wenig Geld durch Handel im besser entwickelten Nordendes Landes zu machen. Der Landweg jedoch ist durch dieAutonomiekämpfe von Separatisten zu gefährlich geworden. Die kürzesteRoute führt ohnehin durch das kleine, von Senegal umschlossene LandGambia, wo Zöllner streng kontrollieren.

Da viele den Fahrpreis von umgerechnet rund sechs Euro auf denFähren nicht entrichten können, bahnen sie sich durch Tricks oderSchmiergelder den Weg an den Kontrolleuren vorbei. Man wisseinzwischen, dass auch ein Großteil der Passagiere auf der «Joola»kein Ticket gelöst hatte, erklärten die Behörden in der Hauptstadt.Der Überblick über die Zahl der Passagiere fehlte deshalb noch Tagenach dem Unglück.

Die Menschen in der abgelegenen Casamance-Provinz fühlen sich seitjeher von Dakar benachteiligt. Die Schiffskatastrophe bestärkt sienun in ihrem Gefühl. Wie ein Mahnmal für die Mitverantwortung derBehörden ragte der rote Bauch der Unglücksfähre aus dem schwarzenWasser des Atlantiks. Rettungskräfte und Fischer aus Senegal undGambia bemühten sich am Montag weiter, um Hunderte eingeschlossenerLeichen aus seinem Innern zu bergen. Zahlreiche Körper, darunter dievieler Kinder, waren von der Strömung bis in den Fluss Gambiaabgetrieben worden. Helfer überführten sie vorerst in die gambischeHauptstadt Banjul.