Prozess Prozess: Armin Meiwes droht lebenslange Haft

Kassel/dpa. - Mit dem Urteil im Kasseler Kannibalismus-Prozess geht an diesem Freitag einer der spektakulärsten deutschen Kriminalfälle zu Ende. Während des zwei Monate dauernden Prozesses wurden nicht nur schockierende Details der unfassbaren Tat, sondern auch die Existenz einer Kannibalismus-Szene in Deutschland bekannt. Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft soll der «Kannibale von Rotenburg» wegen Mordes lebenslang hinter Gitter. Die Verteidigung hat auf Tötung auf Verlangen plädiert, worauf höchstens fünf Jahre Haft stehen.
Der angeklagte Armin Meiwes (42) hatte gestanden, einen Berliner Ingenieur mit dessen Einverständnis getötet, zerlegt und - getrieben von jahrelanger Lust auf Menschenfleisch - zum Großteil gegessen zu haben. Das grausige Geschehen hielt er mit einer Videokamera fest. Da Kannibalismus in Deutschland kein Straftatbestand ist, betrat das Landgericht juristisches Neuland. Für den Fall, dass sich der Mordvorwurf als nicht haltbar erweist, zieht es eine Verurteilung auch wegen Tötung auf Verlangen oder Totschlags in Betracht. Eine Einweisung in die Psychiatrie scheidet aus, da der Kannibale trotz seelischer Abartigkeit für uneingeschränkt schuldfähig befunden wurde.
Ebenso wie der ruhige und sachliche Ton, mit dem Meiwes vor Gericht blutrünstigste Details vortrug, schockierte die Beobachter der Einblick in die bis dahin unbekannte Kannibalismus-Szene. 204 Menschen hätten sich dem Kannibalen im Internet als Opfer angeboten, weitere hätten beim Töten zuschauen oder helfen wollen, berichteten Fahnder. Zu diesen Menschen zählten Zahnärzte, Lehrer und Beamte ebenso wie Köche und Handwerker. «Das sind Leute aus der Mitte der Gesellschaft heraus, ganz normale Leute», sagte ein Polizist. Hinweise auf weitere Opfer hätten sich trotz intensiver Ermittlungen indes nicht ergeben.
Eine Erklärung der Gefühlswelt und Motive der beiden Männer, die sich über das Internet zu der Bluttat verabredeten, gaben dem Gericht ein Psychiater und ein Sexualwissenschaftler. Nach ihrer Überzeugung instrumentalisierten sich Täter und Opfer zur Verwirklichung ihrer abartigen Fantasien. So war Meiwes seit seiner Pubertät von einem Fetischismus für totes Männerfleisch besessen. Sexuelle Erregung verspürte er nur bei der Vorstellung vom Zerlegen von Männern. Der Berliner Ingenieur indes litt seit seiner Jugend unter sexuellem Masochismus. Er wollte sich das Geschlechtsteil abtrennen und sich zerfleischen lassen, um damit seine vermeintliche Mitschuld am Tod der Mutter abzutragen.
Während die Prozessbeteiligten und Polizisten, die unter anderem das Tatvideo anschauen mussten, bis auf das Äußerste belastet wurden, zeigte der Kannibale selbst bei dem Prozess kaum eine Gemütsregung. Allenfalls meldete er sich rechthaberisch zu Wort, wenn Dinge nach seiner Auffassung falsch dargestellt wurden. Bewegt klang seine Stimme nur in seinem letzten Wort, in dem er seine Tat erstmals öffentlich bereute. Die Haftzeit - egal wie lange sie ausfällt - will Meiwes nach eigenem Bekunden zum Schreiben seiner Lebensgeschichte nutzen, um Gesinnungsgenossen damit zu einer Therapie zu bewegen. Anfragen zur Verfilmung des Falls liegen ebenfalls schon vor.

