Pflanzen Pflanzen: Mit Armleuchtern gegen Radioaktivität

Erfurt/Jena/dpa. - Die Wisutec Wismut Umwelttechnik GmbH (Chemnitz) nutztdiese Eigenschaft bei der Sanierung der Abraumhalden des Uran-Bergbaus der DDR-Zeit in Thüringen und Sachsen. Gleichzeitig habenauch Umweltschützer diese unauffällige Spezies wiederentdeckt. Dennetliche Arten der umfangreichen Familie, die den Namen Armleuchterwegen ihrer Ähnlichkeit mit der historischen Lampenform erhalten hat,sind vom Aussterben bedroht.
In der biologischen Wasserreinigungsanlage im sächsischen Pöhlawird das Grubenwasser durch drei Reinigungsbecken geleitet. Imletzten schwimmen die Armleuchter und filtern die Flüssigkeit. «DasRadium wird abgetrennt und ihrem Körper eingelagert», erklärtProjektleiterin Annette Küchler von Wisutec, einer Tochter der WismutGmbH. Nach wenigen Tagen sind die Grenzwerte für das Wasser erreichtund es kann in den nächsten Bach abgeleitet werden.
In Tests erwiesen sich die Armleuchter als besonders geeignet fürRadium. Andere Algensorten oder Bakterien werden seit längerem zurBeseitigung von Ölteppichen oder anderen Giftstoffen eingesetzt.Bislang musste das Radium in einer klassischen technischen Anlage mitteuren Filteranlagen abgeschieden werden. Vier Euro kostete dieReinigung nach Angaben von Küchler pro Kubikmeter. Die Armleuchtererledigen das für weniger als die Hälfte. «Außerdem sind die Anlagenweniger aufwendig, brauchen keinen Energieeinsatz und müssen nicht sointensiv kontrolliert werden.» Immerhin erwarten Wismut und Wisutec,dass die Grubenwässer noch mindestens 15 Jahre lang belastet sind.
Die mehrjährige Alge sinkt nach dem Absterben zu Boden. «Siebesteht zu 60 bis 70 Prozent aus Kalzium. Somit bleibt nur einmineralischer Schlamm zurück.» Noch dazu in sehr kleinen Mengen. Siewerden später in Zement eingelagert und entsorgt. Der Nachschub kommtaus der eigenen Zuchtstation. «Wir nehmen natürlich nur die Charavulgaris und globularis, die nicht geschützt sind», sagt Küchler.Aber auch diese Gattungen gelten als anspruchsvoll und reagieren sehrempfindlich auf Phosphate und Nährstoffe. «Deshalb können wir siewahrscheinlich nicht an allen unseren Wismut-Standorten einsetzen.»
Diese Empfindlichkeit wird ihr auch in der Natur zum Verhängnis.«Ihre sehr speziellen Lebensansprüche werden heute kaum nocherfüllt», sagt Diplombiologe Heiko Korsch, der für die ThüringerLandesanstalt für Umwelt und Geologie (Jena) arbeitet. Er ist dengrünen Wasserbewohnern seit Jahren auf der Spur. In der RegionThüringen wurden vor rund 150 Jahren einige der inzwischen 450bekannten Arten dieser Familie erstmals beschrieben. Zu den bekanntenForschern zählt der Apotheker Friedich Traugott Kützing, der vorallem die so genannte Totenlache bei Schleusingen untersuchte. Indiesem Gewässer sind noch heute einige Arten beheimatet.
«Anfang des 20. Jahrhunderts sind die Armleuchteralgen weitgehendaus dem wissenschaftlichen Blick verschwunden und erst vor wenigenJahren wieder näher untersucht worden», erläutert Korsch. In Zeitendes wachsenden Umweltschutzbewusstseins wird sie als Indikator fürsauberes Wasser entdeckt. «Die Chara brauchen nährstoffarmes Wasser,das sie in Thüringen in Kalksandgruben und Tagebaurestlöchernfinden.» Wo immer sie leben, stehen die Gewässer unter Schutz derFFH-Richtlinie, sagt Rainer Samietz, Direktor des Naturkundemuseumsin Gotha. «Sie sind ein eindeutiger Indikator.»
Doch fast alle Gewässer leiden unter dem Eintrag von Dünger undanderen Nährstoffen. Tödlich für die Armleuchter. Die Liste ihrerbedrohten Familienmitglieder auf der Roten Liste wird immer länger.Sie reicht von der Entgegengesetzten Armleuchteralge (Characontraria) über die Steifborstige Armleuchteralge (Chara hispida) biszur Rutenförmigen Armleuchteralge (Chara virgata).
Doch es besteht Hoffnung, denn die Algen sind Überlebenskünstlerund schwer einzuschätzen: «In einem Jahr ist ein See voll davon, undim folgenden Jahr sucht man sie vergebens», erzählt Korsch. Diesesunregelmäßige Auftreten hängt auch mit ihrer Vermehrungsart zusammen.Ihre Sporen sinken in den Schlamm und können dort zum Teiljahrzehntelang keimfähig bleiben. «Und an den Füßen und Federn vonVögeln bevölkern sie dann neue Pfützen und Teiche», erläutertSamietz. «Solange Menschen neue Gewässer schaffen, wird dieArmleuchteralge wohl zu den Pionieren gehören.» Dass sie noch dazureinigende Kraft besitzen, steigert ihre Überlebenschancen.