Niedersachsen Niedersachsen: Panzerglas für die Sicherheit des Angeklagten

Oldenburg/dpa. - DieStaatsanwaltschaft warf dem drogensüchtigen Mann zum Prozessauftaktvor, «heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln einen Menschengetötet zu haben». «Er hat in Kauf genommen, dass es zu einemtödlichen Unfall kommen könnte», sagte Staatsanwältin RoswithaGudehus bei der Verlesung der Anklage. Bei der Attacke war eine 33-Jährige vor den Augen ihres Mannes und ihrer zwei Kinder von demHolzklotz erschlagen worden.
Das Verbrechen hatte in ganz Deutschland Entsetzen undBetroffenheit ausgelöst. Am Ostersonntag raste das sechs Kilogrammschwere Geschoss aus Weidenholz durch die Windschutzscheibe des Autosder Familie aus dem nordrhein-westfälischen Telgte. «Die Frau wurdeam Oberkörper und am Kopf getroffen», sagte Gudehus. Sie habe soschwere Verletzungen am Brustkorb und am Schädel erlitten, dass sienoch am Unfallort starb. Der Witwer verfolgte am Dienstag gefasst dasVerfahren. Der Beschuldigte aus Rastede (Niedersachsen) war erstWochen nach der grausigen Tat gefasst worden.
Zu Beginn des Prozesses waren alle Plätze in dem Saal desLandgerichtes besetzt. Die Verhandlung begann aufgrund verschärfterSicherheitsmaßnahmen mit kurzer Verspätung. Gegen den 30-Jährigenwaren anonyme Morddrohungen bei seinem Anwalt eingegangen. Im Saalsaß er vorsorglich hinter Panzerglasscheiben.
Der Angeklagte hatte zunächst die Tat zugegeben, später aber seinGeständnis widerrufen. Zur Verhandlung kam er im Anzug und weißemHemd. Die Haare waren kurz geschnitten. «Eine insgesamt gepflegteErscheinung», meinten Prozessbeobachter. Er sehe nicht aus wie einDrogensüchtiger. Seine Drogenabhängigkeit und daraus resultierendeEntzugserscheinungen nach seiner Verhaftung sind aus Sicht derVerteidiger verantwortlich für das falsche Geständnis. Erst danachhabe ihr Mandant die Ersatzdroge Methadon erhalten.
Mehrere Anträge der Verteidiger sorgten insgesamt für einen zähenAuftakt. Nach der dritten Verhandlungsunterbrechung stellte AnwaltOliver Wallasch einen Befangenheitsantrag gegen die Kammer, weilunter anderem die Anträge auf eine russische Übersetzung derAnklageschrift und die Hinzuziehung eines Dolmetschers abgelehntworden waren. Ohne Übersetzer könne der Angeklagte die Verhandlungnicht verfolgen, sagte Wallasch. Der Vorsitzende Richter SebastianBührmann schloss die Sitzung, «da wir ohnehin heute nicht mehr vorhatten». Eine Entscheidung werde den Beteiligten schriftlichzugesandt.
Medienvertreter wie Zuhörer mussten vor Betreten des Gerichtssaalseinen eingehenden Sicherheitscheck über sich ergehen lassen. Nach demPassieren einer Sicherheitsschleuse wurden alle per Hand abgetastet,mitgeführte Taschen sorgfältig kontrolliert. Nicht jeder, der in denSaal mit seinen etwa 50 Zuhörerplätzen wollte, konnte hinein. Zu großwar das öffentliche Interesse an dem Fall.
Das Gericht hat bis Ende Januar 16 Verhandlungstage angesetzt.Mehr als 40 Zeugen und 3 Sachverständige sollen gehört werden. Dazuzählt auch ein vor kurzem von der Staatsanwaltschaft benannter Zeuge.Der Angeklagte solle dem Mitgefangenen gegenüber die Tat zugegebenhaben, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Frauke Wilken,und bestätigte einen Bericht der Oldenburger «Nordwest-Zeitung»(Dienstag).
