Kriminalität Kriminalität: Kindsmörder Gäfgen soll Prozesskostenhilfe bekommen

Karlsruhe/dpa. - DasBundesverfassungsgericht hat nach einem am Mittwoch veröffentlichtenBeschluss die Ablehnung der finanziellen Hilfe durch dasOberlandesgericht Frankfurt (OLG) aufgehoben und eine neueEntscheidung angeordnet (Az: 1 BvR 1807/07 - Beschluss vom 19.Februar 2008). Wegen der Folterdrohung von Polizisten gegen den 32-jährigen Gäfgen werfe der Prozess die «schwierige Rechtsfrage» auf,ob er wegen der Verletzung seiner Menschenwürde einenAmtshaftungsanspruch gegen das Land habe, entschied das KarlsruherGericht.
Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer kündigte bereits an, die Klage soschnell wie möglich vorantreiben zu wollen. Außerdem will er nun eineangebliche «Verwicklung der Regierung» in den Fall klären lassen.«Das Gericht muss jetzt ermitteln, wie weit die Einbindung derLandesregierung geht.»
Der zu lebenslanger Haft verurteilte Mörder des BankierssohnsJakob von Metzler verlangt mehr als 10 000 Euro Schmerzensgeld, weiler bei seiner Vernehmung im Herbst 2002 von Polizeibeamten mit Gewaltbedroht worden war. Gäfgen hatte erst angesichts der vom Vize-Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner angeordneten Drohung dasVersteck der Leiche verraten.
Das Karlsruher Gericht verwies darauf, dass das OLG selbst dieFolterdrohung als eine erhebliche, grob rechtsstaatswidrigeVerletzung der Menschenwürde eingestuft hatte. Der einzigartige Fallsei in der Rechtswissenschaft hoch umstritten; es gebe dazu keineauch nur annähernd einschlägige höchstrichterliche Entscheidung.Wegen der Folterdrohung werfe der Prozess die «schwierigeRechtsfrage» auf, ob er wegen der Verletzung seiner Menschenwürdeeinen Amtshaftungsanspruch gegen das Land habe, entschied dasKarlsruher Gericht. Das spreche dafür, die Rechtsfragen nicht imVerfahren über die Prozesskostenhilfe zu beantworten.
Zudem beanstandeten die Richter, dass das OLG spekulativ einemögliche psychische Schädigung Gäfgens durch die Folterdrohungausgeschlossen habe, ohne dessen Psychologen anzuhören. Auch fürGäfgens Vorwurf, die Polizei habe bei seiner Festnahme massiv Gewaltangewandt, hätte das OLG zunächst Beweis erheben müssen. Nach denWorten der 2. Kammer des Ersten Senats verletzt die Ablehnung derHilfe das Grundrecht auf Rechtsschutzgleichheit. Jeder müsse -unabhängig von seinen finanziellen Verhältnissen - einen weitgehendgleichen Zugang zu den Gerichten haben. Eine Entscheidung über dieSchmerzensgeldklage sei damit aber nicht getroffen, betonte dasGericht.
«Die Frage ist, wer Daschner angestiftet hat», sagte Gäfgen-AnwaltHeuchemer. Der damalige Frankfurter Vize-Polizeipräsident sei heutekein Beschuldigter mehr und könne sich deshalb nicht auf einSchweigerecht berufen. «Insbesondere wird Herr Daschner deshalb denoder die Täter zu nennen haben, die ihm damals Rückendeckung vonranghoher Stelle im Hessischen Innenministerium aus gegeben haben»,sagte Heuchemer. Auch wenn es in dem Zivilprozess um dasSchmerzensgeld gehe, müssten alle Hintergründe aufgedeckt werden.Nach der Karlsruher Entscheidung sprach Heuchemer von einer«Wiederherstellung des Rechts».