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Kleinflugzeug-Absturz auf dem Brocken Kleinflugzeug-Absturz auf dem Brocken: Wrackteile der Cessna sind geborgen

Von Katrin Löwe 11.04.2014, 08:15
Auf dem Brocken prallte das Flugzeug gegen einen 27 Meter hohen Mast der Station.
Auf dem Brocken prallte das Flugzeug gegen einen 27 Meter hohen Mast der Station. dpa Lizenz

Schierke - Es ist Freitagmorgen um 7 Uhr, als die kleine Cessna auf der Insel Rügen aufbricht. Das Wetter ist gut. Vom einzigen Flugplatz der Insel bei Güttin soll es nach Reichelsheim bei Frankfurt (Main) gehen. Die Insassen der einmotorigen Cessna 182, Baujahr 1980, heißt es, wollen von Hessen ein Auto in den Norden überführen. Zunächst geht es dafür zu zweit im Flieger Richtung Süden - offensichtlich ohne Umwege. „Wenn Sie eine Linie zwischen beiden Orten ziehen, kommen sie direkt über den Brocken“, sagt ein Flugplatzmitarbeiter. „Das ist der kürzeste Weg.“ Niemand ahnt am Morgen, dass der Flug dort ein tragisches Ende nehmen wird.

April 2014: Bei extrem schlechter Sicht stürzt eine einmotorige Sportmaschine nahe der ostfriesischen Insel Norderney ins Watt. Der Pilot wird tot geborgen.

Januar 2014: In der Eifel kommen vier Menschen ums Leben, als ein Geschäftsflugzeug bei dichtem Nebel im Landeanflug eine Stromleitung streift.

Oktober 2013: Nahe Koblenz in Rheinland-Pfalz stürzt ein Ultraleichtflugzeug in eine Kleingartenanlage. Beide Insassen sterben.

September 2013: Ein Pilot und seine Frau kommen beim Absturz ihrer zweisitzigen Maschine in Stendal (Sachsen-Anhalt) ums Leben. Das Flugzeug war im Landeanflug.

August 2013: Beim Rückflug von der Nordsee stürzt eine einmotorige Maschine im westfälischen Fröndenberg ab. Vier Erwachsene und ein Kind kommen ums Leben. Ursache war Spritmangel.

April 2013: Tod in der letzten Flugstunde: Beim Absturz eines Sportflugzeugs auf einem Flugplatz in Mecklenburg-Vorpommern stirbt ein 62 Jahre alter Flugschüler.

Dezember 2012: Bei der Kollision zweier Tiefdecker nördlich von Frankfurt/Main sterben acht Menschen, darunter vier Kinder.

August 2012: Vier Menschen sterben bei einem Unglück in Coburg (Bayern). Kurz nach dem Start fällt die einmotorige Propellermaschine in ein Waldgebiet und geht in Flammen auf.

Es ist zwischen 8.30 und 8.45 Uhr, als das Kleinflugzeug etwa auf der Hälfte des Weges den Brocken überfliegt. Um diese Zeit herrscht dort dichter Nebel, mit 300 Nebeltagen im Jahr ist die Region eine der nebelreichsten Europas. Die Sicht auf Mitteldeutschlands 1141 Meter höchstem Berg reicht kaum 20 Meter weit. Offenbar wird das dem Piloten zum Verhängnis: Die weiß-blaue Maschine prallt nach Polizeiangaben gegen den 27 Meter hohen Windmast der Wetterwarte und stürzt 200 Meter weiter über dem Brockengarten ab. Die Insassen des Flugzeugs verbrennen. Auf Rügen heißt es, der Pilot sei ein 38 Jahre alter Mann gewesen. Gestartet seien ein 38- und ein 40-jähriger Mann, bestätigt die Polizei am Abend. Die letzte Identifizierung der Leichen stehe aus.

Beobachtet hat die Tragödie niemand. Matthias Glenk von der Wetterwarte ist dennoch Zeuge geworden. „Ich habe einen lauten Knall gehört“, sagt Glenk. Er habe vermutet, dass irgendetwas gegen den Turm geflogen ist, in dem die Station des Deutschen Wetterdienstes untergebracht ist, und die Polizei gerufen. Gesehen hat er nichts, sagt er. Kein Flugzeug und später auch kein Feuer: „Bei so dichtem Nebel sieht man nichts, selbst Flammen nicht.“

In unzähligen Trümmern liegt die ausgebrannte Maschine wenig später auf dem weichen, langen Gras des Brockengartens. Das, was einmal das Cockpit war, haben Einsatzkräfte mit einer grünen Wolldecke verhüllt. Die Polizei hat das Gelände weiträumig abgesperrt. Einige wenige Touristen, die sich an dem windigen, nasskalten Vormittag auf dem Gipfel umsehen, werden von diesem Teil des Bergplateaus ferngehalten.

Was passiert ist, können sie vom Brockenwirt Hans Steinhoff erfahren, der ein Foto von brennenden Flugzeugtrümmern ins Internet gestellt hat. „Wir hatten Glück, dass das Flugzeug nicht gegen das Hotel geflogen ist, dann hätte es viel mehr Tote gegeben“, sagt Steinhoff gegenüber Medien. Es sei das erste derartige Unglück auf dem Harzgipfel. Auch der Polizei ist nicht bekannt, dass je ein Flugzeug auf dem Brocken abstürzte.

Funkkontakt mit Flugsicherung

Kripo-Beamte des Polizeireviers Harz und Experten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Braunschweig nehmen auf dem Gipfel die Untersuchungen auf, sammeln Fakten, um die Absturzursache ermitteln zu können. Auch am Samstag werden seine Kollegen vermutlich noch vor Ort sein, sagt Jens Friedemann, Sprecher der BFU.

Klar sind am Vormittag zunächst nur der Start- und der Zielort der Maschine. Zwar müssen Kleinflugzeuge dieser Art sich nicht grundsätzlich anmelden, in dem Fall habe es aber Funkkontakt mit der Flugsicherung gegeben, bei dem Start und Ziel mitgeteilt wurden. „Außerdem war die Maschine vom Radar erfasst“, so Friedemann. Ob über Funk etwas von Problemen bekanntwurde, müsse nun ebenso noch gründlich ausgewertet werden wie die Radardaten.

Grundsätzlich, sagt der Experte, gebe es sehr wohl auch Regeln zum Fliegen bei Nebel - im Detail abhängig davon, ob es sich um einen Sicht- oder einen Instrumentenflug handelt, um welchen konkreten Luftraum es geht und wie Sichtweite oder Flughöhe sind. Diese Daten inklusive der Frage nach Wettervorhersage und tatsächlichem Wetter an entscheidenden Flugpunkten würden ausgewertet, um Rückschlüsse auf eventuelle Fehler des Piloten zu ziehen. Auch müsse geklärt werden, welche Instrumente an Bord waren.

Erste Erkenntnisse zu dem Unglück will die BFU in ihrem monatlichen Bulletin von Juni veröffentlichen. Die Antwort auf die Frage, warum die Cessna den 27 Meter hohen Mast streifte und abstürzte, wird wohl erst im Abschlussbericht innerhalb von zwölf Monaten stehen. Der Brocken selbst sei auf Flugkarten eingezeichnet, so Friedemann. Auch Hindernisse seien es - allerdings könne es je nach Karte sein, dass nur das höchste auf dem Brocken vermerkt war - in diesem Fall der Funksendemast. Warnleuchten, wie man sie etwa von Windkrafträdern kennt, gab es zumindest am Windmast laut Wetterdienst nicht.

Wenig Erfahrung

Möglicherweise spielte auch fehlende Routine des Piloten eine Rolle. Nach offiziell noch unbestätigten Informationen aus Rügen soll er erst im August 2013 den Pilotenschein gemacht haben - für Sichtflüge. Die Cessna gehörte ihm. „Er hatte aber wenig Erfahrung“, heißt es. Der 38-Jährige soll eine Lebensgefährtin haben. Er habe das Fliegen als Hobby entdeckt und als Geschäftsmann im Kfz-Handwerk wohl auch schnelle Wege von A nach B zu schätzen gewusst, heißt es. Die Cessna 182 - auch Skylane genannt - erreicht laut Hersteller eine Geschwindigkeit von bis zu 289 Kilometer pro Stunde. An diesem Freitag aber endet der schnelle Weg von A nach B im Drama.

Der Brocken im östlichen Teil des Harzes ist mit 1141 Metern der höchste Berg Norddeutschlands. Nach dem Mauerbau 1961 war das beliebte Ausflugsziel bis Ende 1989 nicht für Besucher zugänglich, weil es in der Sperrzone an der innerdeutschen Grenze lag. Stasi und russische Spionageeinheiten hörten vom Gipfel Funk und Telefongespräche im Westen ab und überwachten den Luftraum.

Seit Grenzöffnung und Wiedervereinigung kommen bis zu zwei Millionen Menschen jährlich auf den Brocken. Die meisten fahren mit einer Schmalspurbahn hinauf. Andere nehmen einen der Wanderwege. Allerdings hüllt sich der Berg im Nationalpark Hochharz häufig in Nebel oder Wolken. Im Winter sind Schneehöhen von 1,50 Meter keine Seltenheit. (dpa)

(mz)

Blick auf die Messeinrichtung auf der Wetterwarte, mit der das Flugzeug kollidierte. Das Kleinflugzeug stürzte ab und ging in Flammen auf.
Blick auf die Messeinrichtung auf der Wetterwarte, mit der das Flugzeug kollidierte. Das Kleinflugzeug stürzte ab und ging in Flammen auf.
dpa Lizenz
Bild vom Wrack des Kleinflugzeugs, das auf dem Brocken im Harz abgestürzt ist.
Bild vom Wrack des Kleinflugzeugs, das auf dem Brocken im Harz abgestürzt ist.
MDR Lizenz
Blick auf den Brocken
Blick auf den Brocken
dpa-Zentralbild