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Kannibalismus-Verdacht Kannibalismus-Verdacht: Experte vermutet schwere Persönlichkeitsstörung

12.12.2002, 13:45

Gießen/dpa. - Kannibalismus ist nach Einschätzung des Gießener Kriminologen Prof. Arthur Kreuzer ein völlig unerforschtes Terrain. «Es gibt kein Expertenwissen, weil es solche Fälle kaum gibt», sagte der Wissenschaftler am Donnerstag in einem dpa-Gespräch. Im hessischen Rotenburg hatte die Polizei am Mittwoch einen 41 Jahre alten Mann festgenommen, der seinen ein Jahr älteren Bekannten aus Berlin vor laufender Videokamera getötet und teilweise gegessen haben soll.

   Frühere Fälle von Kannibalismus seien aus gesellschaftlichen Systemen bekannt, in denen Normen und Werte noch nicht so klar verankert gewesen seien wie heute, berichtete Kreuzer. «Unser ausdifferenziertes Rechtssystem und unsere Wertewelten aber stellen einen kulturellen Schutzpanzer dar, der das Durchbrechen von triebhaftem Verhalten verhindert.» Ein solcher Tabubruch müsse daher aus einer schweren Persönlichkeitsstörung des mutmaßlichen Täters resultieren, sagte der Kriminologe. «Es muss eine enorme Schubkraft kommen von der abnormen Persönlichkeit.»

   Auch Massenmedien wie das Internet könnten jedoch dazu beitragen, die Hemmungen vor dem Zeigen von sexuell-sadistischen Übergriffen zu verlieren. Er selbst habe bereits vor Jahren in den USA ein Gewaltvideo gesehen, in dem Kannibalismus dargestellt worden sei. «Wenn der Fall in Hessen Bezüge zu massenmedialer Verwertung hat, dann ist es nicht nur ein Einzelfall», dann gebe es auch Nutznießer, die an der Bedürfnisbefriedigung von Zuschauern verdienten.

   Vereinzelt sei Kannibalismus zudem in für Menschen lebensbedrohlichen Situationen vorgekommen, sagte Kreuzer - etwa nach einem Grubenunglück, bei dem Arbeiter verschüttet und lange Zeit nicht geborgen werden konnten. Auch in existenziellen Nöten müssten aber «erhebliche Hemmungen» überwunden werden, um Menschenfleisch zu essen.