Kanada Kanada: Eine Millionen Tulpen in Ottawa

OTTAWA/MZ - Der König jubelt. Willem-Alexander trägt eine orangenes Sweatshirt und hat seine Fäuste weit nach oben gestreckt. Neben ihm sitzen seine Gemahlin Maxima und seine Töchter Ariane, Alexia und Catharina-Amalia. Die Kinder haben sich leuchtende Schals umgewickelt und feuern wie ihr Vater die holländischen Eisschnellläufer an.
Die Szene spielt vor drei Jahren bei den Olympischen Spielen in Vancouver. Damals war Willem-Alexander noch Kronprinz und als solcher auf Besuch in Kanada. Jetzt ist er neuer niederländischer König - und wieder im Land. Wenn auch nur virtuell, auf einem überlebensgroßen Poster, das ihn im olympischen Eisstadium zeigt und dieser Tage vor dem Rathaus der kanadischen Hauptstadt Ottawa hängt.
"Lange lebe der König"
"Lange lebe der König", schwärmt Marianne Kleijn und betrachtet ehrfürchtig das Plakat. Die Holländerin mit kanadischem Pass hat die Krönung Ende April verpasst, jetzt aber erweist sie dem neuen Staatsoberhaupt in Ottawa die Ehre. Denn hier wird der niederländische Königsfamilie jeden Mai auf eine ganz besondere Weise gehuldigt.
Seit über 60 Jahren schon feiern die Kanadier mit dem größten Tulpenfestival der Welt die Royals aus dem Hause Oranje. Zu ihren Ehren pflanzen sie in Ottawa über eine Millionen holländischer Nationalblumen an, in über 100 Beeten und Gärten überall in der Stadt. Mehr als 600.000 Besucher aus aller Welt bewundern jedes Frühjahr das farbige Blütenmeer. "So viele Tulpen sieht man nicht Mal in Holland", sagt Kleijn und lacht.
Doch was suchen die Liliengewächse ausgerechnet in Ottawa? Immerhin gilt die City am gleichnamigen Fluß als eine der kältesten Hauptstädte der Welt und ist eher für Eisblumen als für Tulpen bekannt. "Ottawa und die niederländische Königsfamilie verbindet eine besondere Geschichte, die wir mit den Tulpen würdigen", erklärt Jean Wolff von der kanadischen Hauptstadtbehörde, die im Auftrag des Staates für das Festival über hundert verschiedene Tulpengattungen aussetzen lässt.
Die Geschichte geht zurück auf Königin Juliana, die Großmutter von Willem-Alexander. Als Prinzessin hatte Juliana während des Zweiten Weltkriegs in Ottawa Zuflucht vor den Nazis gefunden, die Holland seinerzeit besetzt hielten. Mit von der Partie waren auch ihre Töchter Irene und Beatrix, der späteren Königin und Mutter Willem-Alexanders. Fünf Jahre lang, von 1940 bis 1945, lebte die Königsfamilie im kanadischen Exil.
600.000 Besucher aus aller Welt
Die Hilfsbereitschaft trieb ungewöhnliche Blüten. Als Juliana im Januar 1943 in Ottawa ihre dritte Tochter gebar, erklärten die Kanadier die Entbindungsstation kurzerhand für holländisches Staatsgebiet, da die Thronfolger der Oranier per Gesetz in den Niederlanden geboren sein müssen. An jenem Tag wehte erstmals und bisher zum einzigen Mal eine ausländische Flagge, die niederländische, über dem Parlament.
Als Dank für diese Gastfreundschaft und für den Einsatz kanadischer Soldaten im Zweiten Weltkrieg schickt die königliche Familie seitdem jedes Jahr 20.000 Tulpenzwiebeln nach Ottawa; sie waren der Keim des Festivals. Ein von den Niederlanden gestiftetes Denkmal erinnert zudem an die 7600 kanadischen Soldaten, die bei der Befreiung Hollands ihr Leben ließen. Im "Commissioners Park" blühen im Königin-Juliana-Gedenkgarten die prächtigsten Tulpen der Show - selbstverständlich in königlichem Orange.
In diesem Jahr waren die ersten der Blüten wegen warmer Temperaturen schon Ende April aufgegangen - pünktlich zur Amtseinsetzung von Willem-Alexander. Kanadier wie Niederländer sehen es als gutes Omen. "Das war natürlich nicht geplant, es war aber ein sehr schöner Fingerzeig", meint Festival-Sprecher Allan Wigney. "Es war so etwas wie unser Willkommensgruß für den neuen König."
Jetzt fehlt in Ottawa nur noch seine Majestät höchstselbst. Zwar nehmen die Mitglieder des Königshauses regelmäßig am Tulpenfest teil, die ehemalige Königin Beatrix etwa kam schon mehrmals zu Besuch. Nicht aber Willem-Alexander. Den hat man in Ottawa bislang nur auf jenem Plakat vor dem Rathaus gesichtet. "Wir hoffen natürlich, dass er als König bald zum Festival kommt", sagt Wigney. Schließlich ist er ab jetzt dafür verantwortlich, dass jedes Jahr frische holländische Tulpenzwiebeln nach Kanada geschickt werden.
