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Hintergrund Hintergrund: Foltervorwürfe gegen Polizei-Vize Daschner

03.04.2003, 09:50
Das Archivbild zeigt den stellvertretenden Polizeipräsidenten von Frankfurt/Main, Wolfgang Daschner. (Foto: dpa)
Das Archivbild zeigt den stellvertretenden Polizeipräsidenten von Frankfurt/Main, Wolfgang Daschner. (Foto: dpa) dpa

Frankfurt/Main/dpa. - Der Kriminalfall Jakob von Metzler dürfte nicht in erster Linie wegen des grausamen Mordes an einem elf Jahre alten Millionärssohn in die Rechtsgeschichte eingehen. Zu einem exemplarischen Verfahren hat ihn ein Polizist gemacht, der das Leben des Jungen unter allen Umständen retten wollte. Der Frankfurter Polizei-Vizepräsident Wolfgang Daschner hat nach eigener Aussage den mutmaßlichen Täter Magnus G. mit Gewalt bedrohen lassen und hätte diese auch angeordnet, um endlich das Versteck Jakobs zu erfahren.

Dass Jakob an diesem Morgen des 1. Oktober 2002 längst tot war, ist für die Beurteilung der nach eigenen Angaben «schwersten Entscheidung im Leben» Daschners nicht relevant. Der 59 Jahre alte, erfahrene Kriminalist hat sich auf den Notstandsparagrafen 34 im Strafgesetzbuch berufen, der in ganz allgemeiner Form in extremen Konfliktsituationen die Gewaltanwendung erlaubt. Politiker zeigten Verständnis, ein Teil der Bevölkerung feierte Daschner als Helden.

Nach einer regen öffentlichen Diskussion sind sich aber die Juristen der Nation weitgehend einig, dass Folter - und dazu gehört nach internationalen Abkommen schon die Androhung - kein Mittel der Polizei in einem Rechtsstaat sein kann und darf. Liberale Jura- Professoren fürchteten gar einen «Dammbruch». Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Geert Mackenroth, nahm seine Pro-Daschner- Äußerungen auf Druck seines Verbandes zurück. Das Folterverbot entspringe direkt dem Grundsatz der Menschenwürde und dürfe daher niemals gegen andere Rechtsgüter abgewogen werden, postulierte etwa der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer.

Selbst der Verteidiger G.s, Hans Ulrich Endres, wollte dessen Geschichten aus dem Polizeipräsidium zunächst nicht glauben. Das Beweisstück lieferte Daschner selbst mit einer auf 1. Oktober datierten Aktennotiz, in der er sein Vorgehen schildert. Die Staatsanwaltschaft hätte dieses Schriftstück jederzeit einsehen können. Die Staatsanwaltschaft wurde zudem am 1. Oktober mündlich informiert. Das Ermittlungsverfahren gegen Daschner begann aber erst vier Monate später am 27. Januar 2003. Der von Beginn an involvierte Oberstaatsanwalt Rainer Schilling erklärte dies damit, dass kein Termin für ein Gespräch zwischen den beiden Behörden zu finden gewesen sei. Die Ermittlungen gegen Daschner wegen Aussageerpressung laufen noch. Die Mindeststrafe beträgt ein Jahr.