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Hessen Hessen: Eltern der verhungerten Jacqueline erneut vor Gericht

Von Caroline Wadenka 02.02.2009, 13:51
Die Mutter (2.v.l., verdeckt) des verhungerten Kindes Jaqueline aus Bromskirchen mit ihren Anwälten Gudrun Meyer (l.) und Werner Momberg, sowie Jaquelines Vater (2.v.r.) mit seinem Anwalt Frank Richtberg (r.). Gegen die Eltern der verhungerten Jacqueline aus dem nordwesthessischen Bromskirchen hat am Landgericht Gießen der Revisionsprozess begonnen. (FOTO: DPA)
Die Mutter (2.v.l., verdeckt) des verhungerten Kindes Jaqueline aus Bromskirchen mit ihren Anwälten Gudrun Meyer (l.) und Werner Momberg, sowie Jaquelines Vater (2.v.r.) mit seinem Anwalt Frank Richtberg (r.). Gegen die Eltern der verhungerten Jacqueline aus dem nordwesthessischen Bromskirchen hat am Landgericht Gießen der Revisionsprozess begonnen. (FOTO: DPA) Rainer Waldinger

Gießen/ddp. - Seine Arbeit als Industriemechaniker und die Renovierungdes Hauses in Bromskirchen (Landkreis Waldeck-Frankenberg) seien ihmdamals über den Kopf gewachsen, sagte der 35-jährige Angeklagte zumProzessauftakt. Die 23-jährige Mutter schwieg am ersten Prozesstag zuden Vorwürfen.

Der Angeklagte gab an, er habe irgendwann nicht mehr regelmäßignach seinem Kind gesehen. Auf die Frage des Gerichts, weshalb er Zeitfür den Umbau und die Haustiere gehabt habe, allerdings nicht für dasKind, sagte der 35-Jährige: «Wenn ich eine Erklärung hätte, wäre ichein Stück weiter.»

Erst am Tag der Geburt habe er von der Schwangerschaft seiner Frauerfahren. «Ich habe mich auf die Kleine gefreut und war stolz», sagteder 35-Jährige unter Tränen. Deshalb habe er das Obergeschoss desHauses für das Kind hergerichtet. In der Anfangszeit habe erregelmäßig nach seiner Tochter gesehen, sich an der Versorgungallerdings nicht beteiligt.

Als ihm aber mit der Renovierung des Hauses und den Veränderungenim Beruf alles zu viel wurde, habe er auch nicht mehr nach dem Kindgesehen. Er habe seine Frau nach dem Mädchen gefragt, diese habe ihnjedoch abgewimmelt, gab der Angeklagte an. «Mit der Schuld muss ichden Rest meines Lebens klarkommen.»

Die Vernachlässigung des Kindes durch die Eltern löste beimGericht umso größeres Befremden aus, da die beiden Hunde offenbarstets gut versorgt waren. Ein bis zweimal täglich unternahm derAngeklagte mit den Tieren nach eigenen Angaben Spaziergänge. Von densieben Aquarien fand die Polizei lediglich das Becken im Obergeschossin einem schlechten Zustand. Nach Aussage des Angeklagten war dafürseine Frau verantwortlich.

Er habe den Zustand seiner Tochter nicht erkannt, führte er weiteraus. Dass Vorsorgeuntersuchungen nicht vorgenommen wurden, sei ihmnicht komisch vorgekommen, denn er habe nicht gewusst, in welchenAbständen diese erfolgen sollten. Seine Frau habe abgewiegelt, wenner anbot, sie und das Kleinkind zum Kinderarzt zu bringen.

Als er seine Tochter zum letzten Mal gesehen habe, habe er nichtden Eindruck gehabt, dass sie in einem lebensbedrohlichen Zustandsei. Etwas dünner habe sie vielleicht gewirkt. «Kinder nehmen sowiesoimmer ab, wenn sie krabbeln oder laufen anfangen», rechtfertigte sichder 35-Jährige.

Die 14 Monate alte Jacqueline war im März 2007 an einerHirnschwellung infolge mangelnder Ernährung und Flüssigkeitszufuhrgestorben. Die Eltern hatten die Pflege und Versorgung des Kindesbinnen weniger Wochen weitgehend eingestellt. Das Kind war nachAngaben der Staatsanwaltschaft so wund, dass sich die Haut vomBauchnabel abwärts ablöste und das Kleinkind unter großen Schmerzenlitt. Zum Schluss wog Jacqueline nur noch sechs Kilogramm, etwa halbso viel wie für ein Kind in dem Alter üblich.

Das Landgericht Marburg hatte die Eltern im Januar 2008 zumehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Mutter wurde wegenTotschlags durch Unterlassen und Misshandlung Schutzbefohlener zuacht Jahren Gefängnis verurteilt. Gegen ihren Ehemann waren dreiJahre und drei Monate Haft wegen fahrlässiger Tötung undvorsätzlicher Körperverletzung verhängt worden. Der Bundesgerichtshof(BGH) hob das Urteil im September jedoch wegen Rechtsfehlern undLücken in der Beweiswürdigung auf.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.