Halloween auf Burg Frankenstein

Mühltal - Generalprobe für Halloween: Auf der Bühne zwischen Galgen und Fallbeil geht es grob zu. Drei Monster nehmen ihr Opfer in die Mangel. Peitschenhiebe schnellen durch die Luft. Die Menge johlt.
Einige hundert Menschen sind auf die Burg Frankenstein gekommen, die im Scheinwerferlicht ganz schön unheimlich aussieht. Der Mann, der seinen Kopf in die Öffnung der Guillotine legt, ist Ralph Eberhardt. Er ist Pächter der Burg und Organisator des südhessischen Gruselfestes. „Alles wird heute noch nicht klappen, aber vieles”, sagt er wenige Minuten vor der Foltershow.
Manche Werwölfe tragen noch Turnschuhe unter dem Kostüm, ein Vampir verbirgt einen Akku-Schrauber unter dem Gewand. Egal, der Jubel im Publikum ist groß. Für die kommenden elf Halloween-Veranstaltungen rechnet Eberhardt mit rund 25 000 Besuchern. Wie in den vergangenen Jahren, werden sie sich von Dämonen, Hexen, Monstern und anderen teuflischen Wesen erschrecken lassen. Viele Gäste werden selbst mit ausgefallenen Kostümen zwischen den alten Burgmauern herumgeistern.
Auf der Burg am Rand des Odenwalds haben die Gruselfeste seit 1976 Tradition. GIs und deutsche Freunde hatten für die erste Halloween-Party einen Stand mit Bratwurst und Cola aufgebaut. „Wir haben mit 500 Leuten gerechnet, es kamen aber mehrere tausend Menschen”, hatte der frühere Organisator Mathias Bührer einst berichtet. Dieses Jahr übergab er die Leitung an den 44 Jahre alten Ralph Eberhardt, der seit 1994 für das Festival arbeitet.
Weiß er, welches Geheimnis hinter dem Erfolg steckt - einem Erfolg der auch nach vier Jahrzehnten jeden Oktober tausende Menschen auf die 800 Jahre alte Burg strömen lässt, um „im Wohnzimmer der Monster” zu leiden? Eberhardt denkt kurz nach. Dann sagt er: „Wir leben in einer Zeit der Vereinzelung. Eine Zeit, in der viele Menschen jeden Tag stundenlang auf ihr Smartphone starren. Jeder lebt in seiner eigenen Welt.” Hier, zwischen dem Tunnel des Schreckens, den Grabsteinen und den Vogelscheuchen im Trockeneisnebel, hier erlebe man eine gemeinsame emotionale Reise durch das Land des Schreckens.
„Letztendlich bleibt es aber ein großes Geheimnis, wieso sich Menschen so gerne gruseln”, fügt der Pächter hinzu. Tatsächlich ist der Erfolg von Halloween in Mitteleuropa nicht ohne weiteres zu erklären. „Ähnlich wie zu Karneval geht es darum, aus dem Alltag auszubrechen und die sonst geltenden Regeln außer Kraft zu setzen”, sagt der Marburger Sozialpsychologe Ulrich Wagner.
Enthemmung und kollektiver Exzess zu bestimmten Anlässen seien schon von jeher gesellschaftlich erwünscht gewesen. Nichts bestätige die Regeln des Alltags so sehr, wie der Ausnahmezustand, in dem sich der Mensch der sozialen Kontrolle entziehen kann. (dpa)