Geschichte Geschichte: «Dirty Dancing» mit Günter Mittag im DDR-Luxushotel

Baabe/dpa. - Die grünen Velourssessel könnten teureNeuanfertigungen im Retro-Stil sein. Doch die Sessel sind ebenso wieKintopp-Gong, Leinwand und Kino-Telefon Originale und so alt wie das1978 erbaute «Erholungsheim Baabe». Das «Heim», heute ein Fünf-Sterne-Hotel, war eine der luxuriösesten Ferienunterkünfte der DDRund nur hohen SED-Kadern oder Staatsgästen vorbehalten. Staats- undParteichef Erich Honecker, SED-Größen wie Günther Schabowski,Gewerkschaftsboss Harry Tisch und DDR-Wirtschaftsplaner Günter Mittagnächtigten dort. Während der normale DDR-Urlauber sich aufüberfüllte Zeltplätze quetschte oder in FDGB-Ferienheimen Schlangefürs Abendbrot stand, genossen die Genossen im Erholungsheim Baabeihren Luxusurlaub. Neben einem Fahrstuhl zum Strand verfügte dieNobelunterkunft auch über einen eigenen Kinosaal.
Im Hotel entdeckten Direktor Peter Schwarz und seine Mitarbeiternun den originalen Kino-Vorführraum samt Technik wieder. In einemLagerraum verbarg sich hinter Möbelstapeln die komplette, inVergessenheit geratene und mittlerweile völlig verstaubte Maschineriemit Tonanlage und den Filmprojektoren der tschechischen Marke Meopta.«Es war alles noch funktionstüchtig», staunt Schwarz über dieRobustheit der mehr als 30 Jahre alten Geräte. Auf dem Projektor lagsogar noch der Lappen zum Staubwischen.
Während der Normalurlauber vor Sommerkinos anstand, die anBlechbüchsen erinnerten, um einen der neuen Defa-Filme oder einenWest-Import zu sehen, konnte sich die Politprominenz abgeschottet demKinoerlebnis hingeben. Die Leinwand befand sich hinter einerholzvertäfelten, aufschiebbaren Wand. An Clubtischen wurden denZuschauern Getränke serviert, erinnert sich Elke Gloser. Dass jedochauch Streifen über die 18 Quadratmeter große Leinwand flimmerten, dieder Normalbürger nicht zu sehen bekam, verweist die Hotel-Mitarbeiterin ins Reich der Legende. «Hier wurde gezeigt, was injedem öffentlichen Kino lief», erinnert sie sich. Die heutige Foodand Beverage-Assistentin arbeitet seit der Eröffnung im Jahr 1978 indem Haus. Der US-amerikanische Film «Dirty Dancing» war der letzteFilm, den Günter Mittag und Co. 1987 zu sehen bekamen. Danach sei derSaal für Bankette umgebaut worden, berichtet Elke Gloser. DieKinoanlage geriet in Vergessenheit.
Cineast Christian Schmidt, der in Sassnitz ein Programmkino führt,zählt die Anlage mit den 35-Millimeter-Projektoren zu den ganzwenigen erhaltenen aus der DDR. «Andere Kinos sind verfallen, dieTechnik wurde verschrottet oder verrottete. Hier stand alles trockenund warm», erzählt er. Nur wenige Stunden benötigte er, um dieTechnik wieder zum Laufen zu bringen. «Man brauchte eigentlich nurden Staub wegzuwischen und einige Sicherungen zu tauschen.» Von derBildqualität ist der Kinofan begeistert.
Seit kurzem wird der Saal im Cliff-Hotel inklusive der Filmtechnikwieder als Programmkino genutzt. Das Programm hat sich grundlegendgeändert. Filme wie «Das Weiße Band» oder der DDR-kritische Streifen«Drei Stern Rot», der von den seelischen Qualen eines DDR-Grenzschützers erzählt, ratterten bereits durch den Projektor. Dassdas Kino wiederbelebt wurde, habe nichts mit Ostalgie zu tun,versichert Schwarz, der das Hotel seit 2008 leitet. «Wir wollenunseren heutigen Gästen damit auch die Geschichte des Hauseserzählen.»