Germanwings-Flug 4U9525 Germanwings-Flug 4U9525: Das Rätsel um den Sinkflug des Unglücks-Airbus

Für den Airbus-Absturz in den französischen Alpen fehlte am Morgen nach der Katastrophe mit 150 Opfern noch jede schlüssige Erklärung. Nach Angaben der französischen Behörden hatte die Flugüberwachung kurz vor dem Crash noch vergeblich versucht, Kontakt zu den Piloten der Germanwings-Maschine aufzunehmen. Erste Informationen zum Ablauf des Unglücks erwarten die Ermittler von einem Flugschreiber, der bereits geborgen wurde.
Der tragische Unglücksflug der Germanwings-Maschine im Minutenprotokoll (MEZ) – basierend auf Angaben von Behörden und Fluggesellschaft:
Der Morgen beginnt mit einem Flug von Düsseldorf nach Barcelona. An Bord der Maschine reisen 122 Passagiere nach Spanien. Nach der Landung an der Mittelmeerküste werden keine Probleme bekannt.
Die Maschine startet auf dem Flughafen in Barcelona 26 Minuten später als geplant zurück in Richtung Deutschland.
Der Airbus A320 hat nach Angaben von Germanwings seine reguläre Flughöhe erreicht. Französische Medien berichten später, das Wetter sei gut gewesen.
Die Maschine geht nach Angaben der Fluggesellschaft für 8 Minuten in einen Sinkflug, der nicht mit der Flugsicherung abgesprochen ist.
Aus dem Flugzeug wird nach ersten Angaben des französischen Verkehrsstaatssekretärs ein Notsignal gesendet, weil sich die Maschine in einer „unnormalen Situation“ befunden habe. Die französische Flugkontrolle teilt später aber mit, es habe keinen Notruf gegeben.
Die Radarverbindung bricht auf 6000 Fuß Höhe (ca. 1800 Metern) ab. Die Maschine ist im Estrop-Massiv rund 100 Kilometer nordwestlich von Nizza abgestürzt.
Etwa zu diesem Zeitpunkt erhält der Flughafen Düsseldorf nach Angaben eines Sprechers die Information, dass die Maschine vom Radar verschwunden ist. Ein Krisenstab wird eingesetzt.
Die Maschine hätte in Düsseldorf landen sollen. Angehörige und Freunde der Opfer werden in Düsseldorf und Barcelona betreut und am Flughafen in einen geschützten Bereich gebracht. (dpa)
Klar ist: Um 10.45 Uhr am Dienstagvormittag erreicht der Airbus A320 seine reguläre Reiseflughöhe von knapp 11.000 Metern. Doch nach nur einer Minute geht die Maschine in einen, so scheint es, kontrollierten Sinkflug - also keinen Sturzflug. In den nächsten acht Minuten sinkt Flug 4U9525, bleibt aber auf dem programmierten Kurs. Ein Versuch der Piloten, einen anderen Flughafen zu erreichen, ist also nicht zu erkennen. Um 10.53 Uhr bricht dann die Radarverbindung ab. Auf knapp 1800 Metern Höhe zerschellt der Airbus an einer Bergflanke.
Warum ging die Maschine in einen Sinkflug?
Zum Hintergrund des Manövers gibt es verschiedene Theorien. Die wahrscheinlichsten sind plötzlicher Druckabfall in der Kabine und ein Computerfehler.
Letzterer führte laut „Spiegel“ bereits am 5. November 2014 beinahe zu einem katastrophalen Airbus-Absturz. Der Computer einer Lufthansa-Maschine mit 109 Menschen an Bord hatte auf dem Weg von Bilbao nach München plötzlich einen steilen Sinkflug - rund 1000 Meter pro Minute - eingeleitet. Vereiste Sensoren am Rumpf des Airbus hatten das System mit falschen Daten beliefert und somit für die Beinahe-Katastrophe gesorgt. Nur weil die Piloten geistesgegenwertig die Situation erkannten und den Computer abschalteten, konnte der Absturz verhindert werden.
Bei einem plötzlichen Druckabfall - beispielsweise durch eine Explosion - wird die Luft aus dem Innenraum gesaugt. Die Temperatur im Flugzeug fällt binnen Sekunden. Auf 11.000 Metern sind es außerhalb der Maschine zwischen 50 und 60 Grad unter Null, dazu ist der Sauerstoffgehalt der Luft erheblich niedriger als am Boden. Menschen erfrieren oder ersticken innerhalb weniger Minuten. In einer solchen Notsituation müssen die Piloten versuchen, das Flugzeug möglichst schnell auf unter 3000 Meter Höhe zu bekommen. Dort ist das Atmen für Crew und Passagiere wieder möglich. Im Fall von Flug 4U9525 ist denkbar, dass die Piloten während des Sinkfluges das Bewusstsein verloren haben und den Airbus nicht mehr abfangen konnten.
Pilot hatte mehr als 6000 Flugstunden
„Das Flugzeug war in hervorragendem technischen Zustand“, bekräftigte der Lufthansa-Vorstandsvorsitzende Carsten Spohr. Einen Zusammenhang zwischen dem Absturz und einer Reparatur der Maschine am Tag zuvor schloss Spohr aus. Einer Lufthansa-Sprecherin zufolge war ein Problem mit der Bugrad-Klappe des mehr als 24 Jahre alten Jets routinemäßig beseitigt worden.
Der Pilot war nach Angaben des Lufthansa-Chefs erfahren, hatte mehr als 6000 Flugstunden absolviert. „Wir hatten die Kompetenz im Cockpit, für die unser Unternehmen steht“, sagte Spohr am Dienstagabend in Frankfurt. Der Flugexperte und ehemalige Airline-Chef Niki Lauda glaubt, ein überraschendes Problem habe die Piloten handlungsunfähig gemacht: „Acht Minuten sind in so einem Zustand irrsinnig lang. Deswegen wundert es mich, dass keiner der Piloten mit der Flugkontrolle geredet hat“, sagte Lauda im ORF.
Letztlich Aufschluss über die Absturzursache bringen der Flight Data Recorder (FDR) und der Cockpit Voice Recorder (CVR). Das erste Gerät zeichnet technische Daten zum Flug auf, das zweite registriert Geräusche in der Pilotenkabine. Die Stimmenbox wurde bereits geborgen. Sie ist beschädigt, kann aber verwendet werden. „Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass dieser schnelle Höhenverlust des Flugzeugs für den Augenblick unerklärt bleibt“, sagte der Staatsanwalt von Marseille, Brice Robin, dem Fernsehsender BFM TV. (ckr, dpa)