Germanwings-Flug 4U9525 Germanwings-Flug 4U9525: Bergung hat oberste Priorität
Köln - Am Absturzort des Germanwings-Maschine in Seynes-les-Alpes in den südfranzösischen Alpen sollen Kriminaltechniker am Samstag Leichenteile von Andreas L. (27) gefunden haben. Die Identifizierung der sterblichen Überreste des Co-Piloten, der nach bisherigen Erkenntnissen den Absturz des Airbus A 320 nordöstlich von Marseille bewusst herbeigeführt hat, sei durch einen DNA-Abgleich erfolgt. Entsprechende Berichte der „Bild am Sonntag“ wurden von der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf auf Anfrage allerdings nicht bestätigt.
Behörden kommentieren Gerüchte nicht
Die Behörde werde zum gesamten Thema keine Angaben machen und werde frühestens am Montag weitere Ermittlungsergebnisse bekannt geben. Medienberichte zum Gesundheitszustand und der Auswertung des Stimmenrekorders werde man nicht kommentieren. Das gilt auch für die Spekulationen, nach denen Andreas L. unter schweren Sehstörungen gelitten haben und deshalb in ärztlicher Behandlung gewesen sein soll.
Nach Medienberichten soll es sich dabei um eine Netzhautablösung gehandelt haben. Bei der jährlichen Flugtauglichkeitsuntersuchung, die im kommenden Juni anstand, hätte das zum Aus seiner Piloten-Karriere führen können.
Die Rekonstruktion des Absturzes wird auch davon abhängen, wie viel Untersuchungsmaterial den Rechtsmedizinern noch zur Verfügung steht, sagt der Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Je mehr Gewebe noch vorhanden ist, desto größer sind die Untersuchungsmöglichkeiten.“
Ob Andreas L. möglicherweise unter dem Einfluss von Psychopharmaka gestanden hat, könne sich mit „viel Glück“ nachweisen lassen. „Normalerweise geschieht das durch Untersuchungen von Blut oder Urin“, sagt Benecke. In den Haaren ließen sich Spuren von Aufputschmitteln oder Alkohol auch noch Wochen nach dem Tode finden. Eine mögliche Bewusstlosigkeit, die das plötzliche Schweigen des Co-Piloten im Cockpit erklären könnte, werde dagegen nur schwer nachzuweisen sein. „Dazu bräuchte man Teile des Gehirns, um beispielsweise ein Hirnblutung feststellen zu können, die eine mögliche Ohnmacht zur Folge haben könnte“, sagt Benecke.
Das Schweigen könne aber auch eine völlig andere Ursache haben. „Wenn Menschen in den Zustand eines erweiterten Suizides kommen und den Entschluss einmal gefasst haben, sind sie in der Regel gar nicht mehr aufgeregt, sondern eher gelöst und ganz ruhig.“
Andreas L. war zum Zeitpunkt des Absturzes allein im Cockpit. Der Flugkapitän hatte die Kabine kurz verlassen, um zur Toilette zu gehen. Die „Bild am Sonntag“ berichtet über das Gespräch zwischen ihm und dem Flugkapitän Patrick S. (34), das auf dem sichergestellten Stimmrekorder aufgezeichnet worden sei.
Demnach erzählte der Pilot unter anderem, dass er es in Barcelona nicht geschafft habe, auf die Toilette zu gehen. Der Co-Pilot habe ihm daraufhin angeboten, er könne jederzeit übernehmen. Einige Minuten später habe der Flugkapitän dann zu Andreas L. gesagt: „Du kannst übernehmen.“ Daraufhin verließ der Pilot die Kabine.
„Mach die verdammte Tür auf“
Als sich die Maschine später im Sinkflug befand, ertönte im Cockpit ein automatisches Alarmsignal, wie die „Bild am Sonntag“ weiter berichtete. Der Pilot habe dann offenbar versucht, die Tür zum Cockpit mit Gewalt zu öffnen. „Mach die verdammte Tür auf“, rief er demnach. Auch Schreie der Passagiere seien im Hintergrund zu hören gewesen, bevor das Flugzeug dann an einem Bergmassiv zerschellte.
In dem schwer zugänglichen Gebiet versuchten 50 Helfer das gesamte Wochenende über, die Überreste der 150 Passagiere und Besatzungsmitglieder zu bergen. „Es gibt Hoffnung, dass bis zum Ende kommender Woche zu machen. Das ist unsere Dringlichkeit“, sagte Staatsanwalt Brice Robin am Sonntag. Der zweite Flugschreiber, von dem sich die Experten weitere Erkenntnisse über das Geschehenin der Maschine erhoffen, wurde noch nicht gefunden, hat aber auch keinen Vorrang.
Erst nach der Bergung der Leichen wollen die Ermittler in einer zweiten Phase dann Wrackteile sichern, die für die Recherchen notwendig seien. Derzeit schließen sie auch die Möglichkeit eines technischen Defekts der Germanwings-Maschine nicht aus, sagte Chef-Ermittler Jean-Pierre Michel einem französischen TV-Sender. Die Ermittlungen gingen voran, es fehlten noch „technische Details“.
Copilot kannte die Absturzgegend wohl gut
Das Luftfahrtbundesamt hat nach Angaben eines Sprechers die Personalakte von Andreas L. überprüft. „Wir haben Einsicht genommen und die Erkenntnisse mündlich an die Staatsanwaltschaft gegeben“, sagte Holger Kasperski. „Mehr gibt es dazu aktuell nicht zu sagen.“ Sonst seien die Ermittlungen gefährdet. Einen so genannten SIC-Eintrag in der Personalakte wollte der Sprecher nicht bestätigen. Ein solcher Eintrag steht für besondere regelhafte medizinische Untersuchungen.
Offenbar hat sich Andreas L. in den französischen Alpen besonders gut ausgekannt. Die Eltern des Co-Piloten kamen zwischen 1996 und 2003 mit ihrem Segelflugclub aus Montabaur regelmäßig zum Fliegen in diese Region. Das sagte Francis Kefer vom Flugfeld Sisteron einem französischen TV-Sender. Die Eltern seien mit ihrem Sohn gekommen. Sisteron liegt gut 40 Kilometer westlich der Absturzstelle.
In Haltern, wo um 16 Schüler und zwei Lehrerinnen getrauert wird, soll es am Mittwoch einen Gottesdienst geben. Am Samstag versammelten sich Menschen in Kirchen in Deutschland und Frankreich, um der Toten zu gedenken. Angehörige der Opfer können mit Hilfe rechnen, um anfallende Ausgaben zu decken. „Lufthansa zahlt bis zu 50 000 Euro pro Passagier“, sagte ein Germanwings-Sprecher. (mit dpa)