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Geiselnahme in Berlin Geiselnahme in Berlin: Horrortrip mit der Linie 185

Von Günter Werz 11.04.2003, 17:16

Berlin/MZ. - 14.16 Uhr, Sachsendamm, eine der vierspurigen Hauptstraßen Berlins, gleich neben einer Schwimmhalle: Die Heckscheiben des Doppeldecker-Busses der Linie 185 zersplittern, eine Blendgranate blitzt grell auf. Acht SEK-Beamte stürmen von hinten den Linienbus, sieben weitere von beiden Seiten des Fahrzeugs. So geht in diesem Augenblick ein Geiseldrama zu Ende, das die Menschen in der Hauptstadt fünf Stunden lang in Atem gehalten hatte.

Krankenwagen rasen heran, Notärzte kümmern sich um den 46-jährigen Geiselnehmer, einen mehrfach vorbestraften Gangster. Wegen Sprengstoffdelikten und räuberischer Erpressung hatte der Mann bereits zweimal je sechseinhalb Jahre hinter Gittern gesessen. Zuletzt war er im Juni 2000 aus dem Gefängnis entlassen worden.

Mit einem Schulterschuss, abgefeuert von einem Präzisionsschützen, war der Mann nach vierstündiger Belagerung des Busses außer Gefecht gesetzt worden. Zum Schluss hatte er noch zwei von über 20 Fahrgästen in seiner Gewalt - eine zufällig im Bus sitzende 25-jährige Polizistin in Uniform und einen 52 Jahre alten Hörfunkredakteur des Senders Freies Berlin.

Gemeinsam mit einem inzwischen ebenfalls gefassten Komplizen hatte der Verbrecher um 9.40 Uhr die Filiale der Commerzbank in der Schlossstraße in Berlin-Steglitz überfallen. Während einer der Bankräuber mit der Beute von rund 5000 Euro flüchtet und zunächst entkommen kann, kapert der andere an der vor der Bank liegenden Haltestelle einen Doppeldecker-Bus und rast mit den zunächst 20 Fahrgästen durch die Stadt.

Auf der einstündigen Irrfahrt lässt er die meisten Geiseln frei. Am Sachsendamm ist Endstation. Ein Polizeiwagen bringt den Bus zum Stehen. Auch dem 39-jährigen Fahrer gelingt hier die Flucht. Jetzt sitzen nur noch drei in dem Fahrzeug - außer dem Gangster die Polizistin und der Reporter, der keine Nerven zeigt: Über sein Handy gibt er während der Geiselnahme seinem Sender ein Interview und berichtet Einzelheiten des Dramas, wie beispielsweise der Geiselnehmer einen Hubschrauber und einen Fallschirm fordert, um sich "über Berlin abzusetzen und zu verschwinden".

Zunächst versuchen Polizisten den Geiselnehmer durch Gespräche zur Aufgabe zu bewegen. Ohne Erfolg. Dann ist es soweit: Die hinter dem Bus verschanzten Spezialisten eines Sondereinsatzkommandos schlagen zu. Polizeisprecher Jörg Nittmann: "Der Zugriff war eine Sache von Sekunden. Wir sind erleichtert, dass die Sache so glimpflich abgelaufen ist."