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Freizeit Freizeit: Gast im Knast - Gefängnisse werden zu Hotels

Von Annette Reuther 13.04.2007, 08:26
Mitglieder der Band «Blassportgruppe», die als Sträflinge und Polizisten verkleidet sind, stehen hinter Gittern in einer Bar im Gefängnishotel «Alcatraz» in Kaiserslautern. (Foto: dpa)
Mitglieder der Band «Blassportgruppe», die als Sträflinge und Polizisten verkleidet sind, stehen hinter Gittern in einer Bar im Gefängnishotel «Alcatraz» in Kaiserslautern. (Foto: dpa) dpa

Kaiserslautern/dpa. - In der ehemaligen Justizvollzugsanstalt Kaiserslautern sollen künftigHotelgäste schlummern, für 45 Euro pro Übernachtung inklusiveZellenpyjama, Gefängnisfrühstück und beschränkter Aussicht auskleinen Gitterfenstern. Im Mai soll das Knast-Hotel eröffnen. NachAngaben des Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA ist es das ersteund einzige in Deutschland.

Der Mann, der die Reisenden in Deutschland hinter Gitter bringenwill, ist Michael Koll. «Die Leute können hier ein richtiges Knast-Feeling bekommen», sagt der Rechtsanwalt aus Kaiserslautern. In demBau, der künftig «Hotel Alcatraz» heißt, soll es drei Trakte mitZellenzimmern geben. Darin: Ein originalgetreues Gefängnisbett, einWaschbecken und eine Toilette - ohne Trennwand. DieGemeinschaftsduschen liegen im Gang, es wird eine Bar und eine Lobbygeben. «Es ist wie im Gefängnis. Der Unterschied ist, dass die Leutewieder rauskommen», erklärt Koll. Wer es nicht ganz so heftig wolle,könne sich eines der normalen Zimmer nehmen.

Vor zwei Jahren kaufte Koll zusammen mit seinem Juristen-KollegenAndreas Kirsch das Gefängnis vom rheinland-pfälzischen LandesbetriebLiegenschaften- und Baubetreuung. Rund zwei Millionen Euroinvestierten die Geschäftsleute in den ersten Bauabschnitt. Einzweiter soll folgen, wenn sich das Modell lohnt. Die ersten Buchungenseien schon eingegangen, erzählt Koll. «Klar gibt es Menschen, diesagen, da will ich nicht rein, weil Schwerverbrecher drin saßen. Dochdie Leute wollen heute auch was erleben. Manche wollen solch eineNacht vielleicht jemandem zum Geburtstag schenken.»

Die Schwerverbrecher aus Kaiserslautern sind mittlerweile in einemodernere Haftanstalt im rheinhessischen Wöllstein gezogen, dasGefängnis schloss im September 2002. «Oft sindJustizvollzugsanstalten baufällig und die Verhältnisse nicht mehrtragbar. Dann werden die Häftlinge verlegt und die Bauten verkauft»,sagt die Sprecherin des rheinland-pfälzischen Justizministeriums.Auch in Mainz stehe ein Gefängnis leer, «das soll aber kein Hotelwerden», betont die Sprecherin.

Der Hotelverband DEHOGA erklärt sich den abstrusen Wunsch, imGefängnis zu schlafen, mit dem wachsenden Erlebnishunger derReisenden. «Wir beobachten, dass immer mehr so genannte Themenhotelsentstehen. Vielen Menschen sind Standardhotels heute zuunspektakulär», sagt DEHOGA-Sprecherin Stefanie Heckel. In altenKohlehallen oder auch in Bordellen, wie in Hamburg, seien Hotelsentstanden, die eine junge oder szenige Zielgruppe ansprechen.

Im Ausland ist das Schlafen in Ex-Gefängnissen bereits ein Renner:Im «Jailhotel Löwengraben» im Schweizer Luzern liegen die Gäste aufPritschen und dünnen Matratzen und lugen durch kleine Fenster. «FürMenschen mit Klaustrophobie ist das sicher nichts. Aber wir sind gutgebucht. Vor allem von Leuten, die nur ein Bett brauchen und sichnicht lange in den Zimmern aufhalten», sagt Mitarbeiterin OliviaPeter.

Auf schicke Suiten statt Gitterfenster setzt dagegen das Liberty-Hotel in Boston an der US-Ostküste: Im Frühsommer sollen in demGefängnis aus dem 19. Jahrhundert die ersten Gäste empfangen werden.Im britischen Oxford lockt das Hotel Malmaison in historischemKnastgemäuer ebenfalls mit Luxus: Statt mit einem Auslauf imGefängnishof können sich die Gäste hier in Pilates-Kursen fit halten.