Filmreifer Ausbruch aus der JVA Moabit Filmreifer Ausbruch aus der JVA Moabit: Häftlinge klettern über Gefängniszaun

Berlin - Bislang galt das Gefängnis Moabit als eines der sichersten des Deutschlands. Am Montagmorgen bewiesen Metin-Michael M., 34, und sein Kumpel Ulrich Z., 25, dass es einen Weg nach draußen gab. Besonders pikant: Für Metin-Michael M. galt die höchste Sicherheitsstufe. Der Untersuchungshäftling ist beschuldigt, Jochen Strecker, Besitzer des Charlottenburger Promiclubs First, ermordet zu haben. Strecker war im März 2013 in seiner Wohnung in Wilmersdorf mit acht Messerstichen getötet worden.
Was sich am Montag zwischen 3 und 6 Uhr ereignete, war wie im Film. Inzwischen haben die Behörden rekonstruiert, wie die beiden Männer entkamen. Ulrich Z., verurteilt wegen Betruges, und Metin-Michael M. saßen auf einer Station, aber nicht in derselben Zelle. „Sie müssen sehr sportlich gewesen sein, einen sehr klugen Plan und viel Glück gehabt haben“, sagt Justizsenator Thomas Heilmann (CDU).
In einer Zelle im ersten Stock sägten sie ein Fenstergitter durch. „Schon dabei hatten sie Glück“, sagt Heilmann. „Es waren alte Stäbe, die zurzeit nach und nach durch neue ersetzt werden. Durch die wären sie nicht gekommen.“ Das Sägewerkzeug wurde bisher nicht gefunden. Mit Laken und Decken seilten sich die Männer in den Hof ab. Dort überwanden sie einen 2,20 Meter hohen Zaun.
Textilien auf dem Stacheldraht
Dann standen sie in einem zweiten Hof. Von dort gelang ihnen etwas, das selbst Heilmann Respekt einflößt: Die Ausbrecher müssen an einer Backsteinfassade rund vier Meter hochgeklettert sein und sich danach durch einen Stacheldraht geschlängelt haben. „Unfassbar, dass das geht und dass sie sich dabei nicht verletzt haben“, sagt Heilmann. Die Spurensicherung der Polizei fand kein Blut. Wahrscheinlich trugen die Ausbrecher eine Art Schutzkleidung.
Schließlich drückten sie ein Gitter von der Mauer weg, so dass sie durch eine Lücke schlüpfen konnten. Und wieder müssen sie großes Glück gehabt haben: Erst vor einiger Zeit gab es Arbeiten an dem Gitter. Die Arbeiter verankerten es offenbar nicht richtig im Mauerwerk. Danach war der Rest ein Spaziergang. Wieder warfen die Männer Textilien – möglicherweise ihre Schutzkleidung – auf den Stacheldraht einer nur wenige Meter hohen Mauer und kletterten hinüber. So gelangten sie auf ein Vordach und von dort auf die Straße Alt-Moabit.
Die Wachtürme an der Außenmauer brauchten sie nicht zu fürchten, sie sind schon seit Jahren nicht besetzt. Die Wärter setzen auf Videoüberwachung. „Es hat eine Verkettung von Lücken im System gegeben“, sagt Heilmann. „Ob die Männer das gewusst haben – und wenn ja, woher –, müssen wir herausfinden. Und natürlich auch, ob sie Hilfe hatten, von Innen oder von Außen.“
Suizid im Nachbarhaus
Dass niemand den Ausbruch mitbekam, lag offenbar auch daran, dass die Aufmerksamkeit des Wachpersonals auf ein anderes Ereignis gerichtet war: Zur selben Zeit verübte in einer anderen Teilanstalt ein Häftling einen Suizid. Jedenfalls hatten die Ausbrecher gegen 5.30 Uhr einen Alarm ausgelöst, offenbar eine Fotofalle. Da auf den Bildern nichts zu sehen war, blieben die Justizbediensteten unbeeindruckt. Heilmann will jetzt eine unabhängige, aus externen Fachleuten bestehende Kommission einsetzen, die den Ausbruch untersuchen soll. Sie soll etwaige Sicherheitsmängel baulicher und technischer Art aufspüren.
Unterdessen läuft die Fahndung nach den Ausbrechern auf Hochtouren. Zielfahnder und Observationsexperten eines Mobilen Einsatzkommandos suchen nach den Kriminellen. Auch die Bundespolizei, die für die Sicherheit von Bahnanlagen und Flughäfen zuständig ist, wurde informiert. Denn vor allem Metin-Michael M. gilt als hochgefährlich. Er hat ein langes Vorstrafenregister und saß wegen Verbrechen wie Entführung, schwerem Raub und schwerer Körperverletzung in Haft.
Ein Ausbruch aus der Justizvollzugsanstalt Moabit gab es das letzte Mal vor fünfzehneinhalb Jahren. Sollten die beiden Ausbrecher gefasst werden, dann müssen sie sich wegen des durchgesägten Fenstergitters wegen Sachbeschädigung verantworten. Ausbruch ist in Deutschland nicht strafbar.

