Energieversorgung Energieversorgung: Chaos im Münsterland legt sich

Münster/dpa. - Ein Strommast war eingeknickt und hatte sich zur Seite gedreht. «Wenn er umstürzt, reißt er mehrere andere mit», schilderte ein Feuerwehrmann. Kritik an den massenhaftenStromausfällen in Teilen Nordrhein-Westfalens durch das Schneechaos wiesen Netzbetreiber und Stromwirtschaft am Montag zurück. Ursächlichsei allein die extreme Wettersituation. Politiker verlangten vomStromversorger RWE Aufklärung. Die Bundesregierung will einenErfahrungsaustausch organisieren. Mit Investitionen über rund 40Milliarden Euro soll das deutsche Stromnetz laut Verband derNetzbetreiber (VDN) in den nächsten 15 Jahren modernisiert werden.
Im Kampf gegen den Stromausfall haben Techniker des NetzbetreibersRWE einen Rückschlag erlitten. Am Montagabend waren wieder 90 000Menschen ohne Strom. Neben den 50 000, die inzwischen seit drei Tagenin Dunkelheit und Kälte ausharren müssen, mussten auch dieStromleitungen für 40 000 Menschen in den Orten Metelen, Borghorstund Steinfurt abgeschaltet werden, teilte RWE mit. Es sei zubefürchten, dass zumindest große Teile von Steinfurt und Borghorstauch über Nacht ohne Strom bleiben werden. Ursache sei starker Regenauf die vereisten Leitungen, die dadurch stark durchhängen und sichgefährlich nahe dem Erdboden nähern, hieß es. RWE warnte dieBevölkerung erneut davor, sich den herunterhängenden Leitungen zunähern. Zuvor hatten die Techniker fieberhaft ganze Wohngebiete mitNotstromaggregaten und Ersatzleitungen versorgt. Teilweise brachendiese provisorischen Netze jedoch wieder zusammen.
Unterdessen hat in Politik, Wirtschaft und Kommunen dieAufarbeitung des folgenschwersten Stromausfalles in der deutschenNachkriegsgeschichte begonnen. «Es ist zu klären, wie es zu einersolchen Lage kommen konnte», sagte der hessische Innenminister VolkerBouffier (CDU). RWE lehnte eine Haftung für die Kosten des Debakelsab. Es handele sich um einen Fall von höherer Gewalt. DieseEinschätzung teilten auch NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben(CDU) und die Westfälische Provinzial, die die Anlagen versichert.Wie hoch die Schäden wirklich sind, sei noch nicht zu beziffern, hießes beim Stromkonzern RWE.
Der Netzbetreiber bekam Rückendeckung von Experten aus derWissenschaft. «Für so extreme Wetterbedingungen kann man die Anlagenkaum auslegen», sagte unter anderem Dr. Heiko Neus vom Institut fürElektrische Anlagen und Energiewirtschaft der Rheinisch-WestfälischenTechnischen Hochschule (RWTH) in Aachen.
Die betroffenen Bürger können nach Ansicht von Versicherern kaumauf die Regulierung ihrer Schäden hoffen. Sturm- und Schneeschäden anGebäuden würden nur durch eine Elementarversicherung gedeckt,erklärte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Ob verdorbenesGefriergut erstattet werde, hänge von den jeweiligen Policen ab,sagte ein Sprecher der Westfälischen Provinzial.
Aus dem Kreis der Rettungskräfte wurde erste Kritik amKrisenmanagement laut. «Wir stehen uns hier die Beine in den Bauch»,hatten Feuerwehrleute aus dem Hessischen berichtet. MitgebrachteNotstromaggregate stünden nutzlos herum. Der Sprecher desKrisenstabes bei der Bezirksregierung Münster, Stefan Bergmann, wiesdie Kritik als unbegründet zurück. Es werde jedoch eine Manöverkritikgeben.
Die Behörden in den vom Schneefall der vergangenen Tage besondersstark betroffen Gebiete warnten am Montag vor Dachlawinen in denStädten und vor Schneebruch in den Wäldern. In einigen Kreisen wurdeden Eltern auch für Dienstag frei gestellt, ihre Kinder zur Schule zuschicken. In der Regel sollte der Unterricht aber wieder aufgenommenwerden.
Der Verkehr auf Straße und Schiene in Nordrhein-Westfalen hattesich am Montag nach stundenlangen Verspätungen bei der Bahn amWochenende, kilometerlangen Staus und gesperrten Autobahnen wiedernormalisiert. Allerdings gab es vereinzelt noch Straßensperrungenwegen gefährlich tief hängender Stromkabel.
