Berliner Feuerwehr Einsätzen der Feuerwehr: Erstmals mehr als halbe Million
Doppelt so häufig wie vor 20 Jahren werden in Berlin Rettungswagen und Krankenwagen der Feuerwehr angefordert. Oft geht es gar nicht um Notfälle. Dazu kamen im vergangenen Jahr einige Großereignisse. Und leider auch viele Angriffe auf die Helfer.

Berlin - Es ist ein Rekord bei den Einsatzzahlen. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hat die Berliner Feuerwehr mehr als eine halbe Million Einsätze in einem Jahr wegen Not- und Krankheitsfällen sowie Bränden absolviert. 2022 gab es 528.895 davon, wie am Montag mitgeteilt wurde. Das war ein Anstieg von 7,5 Prozent oder rund
35.000 Einsätze mehr als 2021. „Das bedeutet: jede Minute ein Einsatz“, sagte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bei der Vorstellung der Jahresstatistik.
Seit vielen Jahren werden vor allem die Rettungswagen und Sanitäter der Feuerwehr immer öfter gerufen, was die Organisation an ihre Grenzen bringt. Gründe sind die älter werdende Gesellschaft mit mehr kranken Menschen, aber auch die oft unnötige Alarmierung über den Notruf 112, obwohl es nur um kleine Verletzungen oder Krankheiten geht. Spranger appellierte: „Halten Sie die Notfall-Nummer für echte Notrufe frei.“
NOTRUFE: Insgesamt gingen 1.222.955 Notrufe über die Nummer 112 ein. Das war ein Plus von mehr als 11 Prozent. Alle 26 Sekunden erreichte ein Notruf die Leitstelle der Feuerwehr. Aber längst nicht alle davon führten dazu, dass Krankenwagen oder Löschfahrzeuge ausrückten.
REKORDZAHL DER EINSÄTZE: 2022 gab es 528.895 Einsätze der Feuerwehr. Rund 407.000 waren Notfälle durch Krankheiten oder Unfälle. Es gab mehr als 40.000 Fehleinsätze. Nur 9578 der Einsätze galten Bränden - 40 Prozent mehr als im Vorjahr.
Immer öfter musste die Feuerwehr den Ausnahmezustand ausrufen, weil mehr Alarme kamen als gerade Rettungswagen frei waren. Im Rettungsdienst verdoppelte sich die Zahl der Alarmierungen in den vergangenen 20 Jahren von rund 255.000 auf zuletzt über 500.000. Die Zeiten bis zum Eintreffen stiegen seit 2017 von 9,6 auf 11,1 Minuten. Feuerwehrchef Karsten Homrighausen sprach von einem „ganz besonders krisenhaftes Jahr“. Der Rettungsdienst sei „in dieser Form nicht zukunftsfähig“.
PERSONAL: Mit mehr Werbung, Personalgewinnung und Ausbildung will die Feuerwehr Entlastung schaffen. Seit Sommer 2022 seien auch immer mehr leichte Krankheitsfälle an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zur Behandlung abgegeben worden - statt Rettungswagen loszuschicken.
ÜBERGRIFFE GEGEN FEUERWEHRLEUTE UND SANITÄTER: Feuerwehrleute machten im vergangenen Jahr 140 Meldungen über Bedrohungen, Angriffe, Sachbeschädigung oder Beleidigung. Die Feuerwehr sprach von einem „traurigen Rekord“. Allein in der Silvesternacht wurden 69 Angriffe auf Fahrzeuge und Feuerwehrleute mit Raketen, Böllern und anderen Gegenständen gezählt. Es gab 15 Verletzte und 30 000 Euro Schaden.
Homrighausen sagte: „Die Qualität der Übergriffe hat sich deutlich verändert zum Negativen.“ Berichtet werde von Angriffen mit Flaschenwürfen oder Teppichmessern. Zudem gebe es noch eine große Dunkelziffer. Jeder bekannte Fall werde von der Feuerwehr als Strafanzeige an die Polizei gegeben.
Innensenatorin Spranger sprach von Hinterhalten und Barrikaden in der Silvesternacht. „Die Ereignisse dieser Nacht machen mich auch heute noch fassungslos und wütend.“ Demnächst würden Feuerwehrleute auch großflächig mit kleinen Kameras, sogenannten Bodycams, an den Schutzkleidungen ausgerüstet. Kameras sollen auch erstmals in Deutschland die Feuerwehrautos erhalten.
BESONDERE EINSÄTZE: Die Löscharbeiten bei dem großen Waldbrand des Sprengplatzes im Grunewald im August 2022 waren mit rund 27 Tagen oder 662 Stunden der längste Einsatz der Feuerwehr seit dem Zweiten Weltkrieg. 716 Feuerwehrleute waren dabei. Der Einsatz begann am 4. August um 3.18 Uhr und endete am 31. August um 17.16 Uhr.
Bei mehreren Orkanen im Februar 2022 gingen in knapp vier Tagen rund 15 000 Notrufe ein. 3813 Einsätze galten den Notfällen durch diese Stürme. 530 Berufsfeuerwehrleute und 500 von den Freiwilligen Feuerwehren waren unterwegs. Von den „höchsten jemals gemessenen Einsatzzahlen und zeitweise vollständiger Auslastung“ war die Rede.
Wegen der Klimaerwärmung rechnet die Feuerwehr mit steigenden Zahlen bei wetterbedingten Notfällen. Allein am vergangenen Samstag sei es unter anderem wegen der Hitze zu 1700 Einsätzen gekommen.