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Deutschland Deutschland: Pokerface verhilft zu Millionen

17.04.2009, 06:48
Die 27-Jährige Sandra Naujoks verzieht bei einem Fototermin in einem Cafe im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg keine Miene. Die junge Frau ist eine der derzeit gefragtesten Nachwuchszockerinnen unter Europas Pokerprofis. (FOTO: DPA)
Die 27-Jährige Sandra Naujoks verzieht bei einem Fototermin in einem Cafe im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg keine Miene. Die junge Frau ist eine der derzeit gefragtesten Nachwuchszockerinnen unter Europas Pokerprofis. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Wenn diese Frau eines kann, dann ist es Bluffen.Hier sitzt sie, in ihrem Lieblingscafé in Berlin-Prenzlauer Berg undverzieht keine Miene. Bloß nicht zu viel preisgeben - gerade das istSandra Naujoks' Geschäft. Die 27-Jährige ist eine der derzeitgefragtesten Nachwuchszockerinnen unter Europas Pokerprofis. Pokernist ihr Beruf. Über ihr Einkommen mag die gebürtige Dessauerin(Sachsen-Anhalt) nicht reden. Gewiss hat sie aber schon ihre ersteMillion gemacht. Allein bei der European Poker Tour (EPT) Mitte Märzin Dortmund setzte sich die 27-Jährige gegen 670 Gegner aus 43Ländern durch und nahm als Siegerin 917 000 Euro mit nach Hause.

Bereits 2008 wurde sie Europameisterin. Wegen ihrer Turniererfolgekürte eine internationale Jury sie zu Europas «Leading Lady» an denSpieltischen. In der europäischen Pokerszene -eine weitgehendmännliche Domäne - gilt Sandra Naujoks als große Zukunftshoffnung -mit dunklem Ruf: «Black Mamba» lautet ihr Spitzname - das ist eineschwarze, giftige Schlange.

Pokern ist in Deutschland zu einem Millionen-Geschäft geworden.«Es gab in den letzten Jahren einen deutlichen Pokerboom», sagtTobias Hayer, Glücksspiel-Forscher an der Universität Bremen. Mehrerehunderttausend Menschen verfügten in Deutschland über Erfahrung mitdem Pokerspiel. Besonders im Internet blüht das Geschäft. VielePokerportale werben dort um Spieler. Fernsehsender übertragen heuteregelmäßig Pokerturniere und Prominente wie Boris Becker werben fürdas Kartenspiel.

Sandra Naujoks spricht leise, fast zischelnd. IhreMimik ist unaufgeregt, reserviert. Ein Lächeln? Fehlanzeige. Sieträgt schwarze Stöckelschuhe, am Knöchel hochgebunden. Ihr Rock, ihreBluse, auch Haare, Brauen, Lider: Alles tiefschwarz. «Sie fragenernsthaft einen Pokerspieler, was er für ein Mensch ist?» Stille.Neuer Versuch: «Frau Naujoks, worüber können Sie lachen?» - Sie: «Ichverstehe die Frage nicht.»

So nah an den Gewinnern wie derzeit war die Wahl-Berlinerin, dieaus Dessau stammt, nicht immer. Nach ihrem Abitur studierte siein Magdeburg zunächst Germanistik und Geschichte, 2006 zog sie dannnach Berlin - und begann zu pokern. Erst waren es kleinere Turniere,2008 kam der Durchbruch. Mittlerweile steht Naujoks bei einerOnline-Poker-Plattform unter Vertrag und muss ihren Einsatzbei großen Turnieren nicht mehr selbst aufbringen. Das ist einsicheres Geschäft. Denn wenn sie gewinnt, darf sie das Geld behalten.

Sandra Naujoks ist Profi auch ohne Spielkarten. Einblicke gewährtsie nur sehr sparsam. Eine Schlange hat sie Zuhause, sagt sie. Undvor exotischen Speisen schreckt sie nicht zurück: Krokodilfleisch,Vogelspinnen, auch Schlangen habe sie schon verspeist. Vielleicht istes das, was sie derzeit zu einer der gefürchtetsten Pokergegnerinnenin Europa macht: Unnahbarkeit. Und ein Mythos, der spiegelt: Hiersitzt die Schlangenfrau.

Dann erzählt die Pokermillionärin doch noch etwas. Dass sie nachihrem großen Erfolg im März ihrem Vater seinen größten Wunsch erfüllthabe, eine «Harley Davidson». Außerdem unterstützt Naujoks einSchulprojekt in Kambodscha. «Ich finde, wer viel hat, muss der Weltauch etwas zurückgeben», sagt Sandra Naujoks in einem kurzen Anflugvon Offenheit. Doch nach dem kurzen Blick in die Karten, macht sieihr Spiel wieder zu.

Gesicht zu zeigen, kann diese Frau viel kosten. «Ich spieleHände, bei denen es um Hunderttausende von Euro geht.Unprofessionalität kann ich mir nicht erlauben.» Es ist Frühlingin Berlin und sie ist nur kurz in der Stadt. «Das ist ein knallharterJob. 300 Tage im Jahr bin ich unterwegs», sagt sie. Von diesemSamstag an (18. April) spielt sie in San Remo, danach geht es nachMonte Carlo. In Las Vegas pokert sie demnächst bei der «World Seriesof Poker», dem renommiertesten aller Poker-Turniere, um dieWeltmeisterschaft mit. Dann blufft «Black Mamba» wieder umMillionen.» Vielleicht hält sie deshalb schon Deckung. Vielleichtauch, weil Bluffen ihr Leben ist.