Dank deutscher Spiegel-Technik Dank deutscher Spiegel-Technik: Norwegisches Dorf sieht im Winter erstmals Sonne im Tal

Oslo/dpa - Die 3.000 Einwohner der Kleinstadt Rjukan im Süden Norwegens haben ihrem Schattendasein in den Wintermonaten ein Ende gesetzt: Sie haben sich die Sonne ins Tal geholt. Eine gewaltige Spiegelkonstruktion in 450 Metern Höhe reflektiert die Strahlen direkt auf den Marktplatz.
„Alle sind so glücklich. Man wird einfach glücklich, wenn man die Sonne sieht“, sagt Bürgermeister Steinar Bergsland nach der Einweihung am Mittwoch. Rjukan liegt im Vestfjord-Tal, das von hohen Bergen umgeben ist, der höchste ist der Gaustatoppen mit seinen 1.883 Metern. Wenn die Sonne im Herbst immer tiefer steht, versperren die Berge ihr den Weg. Von Oktober bis März liegt das Dorf im Schatten.
Die Idee, das Sonnenlicht mit Spiegeln ins Tal zu lenken, kam laut Angaben des Bürgermeisters in Rjukan schon 1913 auf, und zwar von einem Arbeiter: Oscar Kittelse. Der erzählte demnach seinem Chef Sam Eyde davon, der sie wiederum als seine eigene Idee präsentierte. Sam Eyde war der Gründer der Firma Norsk Hydro, die 1911 eines der zu der Zeit größten Wasserkraftwerke der Welt ins Tal baute. Durch ihn wurde aus der kleinen Ansiedlung von Bauernhöfen ein Industriestandort mit 10.000 Einwohnern.
Mit Seilbahn zum Sonne tanken
Doch dass Rjukan jeden Herbst in den Schatten gerückt wurde, konnte auch Sam Eyde nicht ändern. Die Idee mit den Spiegeln gefiel ihm, doch er wusste nicht, wie er sie umsetzen sollte. Damit seine Arbeiter wenigstens ab und zu Sonne tanken konnten, baute er laut dem Bürgermeister 1928 eine Seilbahn, die 886 Meter hoch auf das Hochplateau Hardangervidda führte.
90 Jahre lang sprach niemand mehr von den Spiegeln. Das änderte sich erst, als der Künstler Martin Andersen nach Rjukan zog und die sonnenlosen Wintermonate schlichtweg nicht aushalten konnte. „Andersen hat uns den Vorschlag gemacht, drei Spiegel aufzustellen, und wir haben ihm schließlich das Geld für die Entwicklung gegeben“, erzählt der Bürgermeister. Am Ende sollte das Projekt fünf Millionen Kronen (rund 620.000 Euro) kosten.
Von der Idee bis zur Umsetzung vergingen zehn Jahre. Inzwischen wurde bereits in dem italienischen Alpenort Viganella eine Spiegelanlage aufgestellt. Das Dorf gab schließlich der deutschen Firma Solar Tower Systems in Starnberg den Auftrag, das Projekt zu leiten: „Wir haben die Spiegelanlage konzipiert, installiert und in Betrieb genommen“, berichtet Geschäftsführer Joachim Maaß. Die drei jeweils 17 Quadratmeter großen Spiegel kommen aus Spanien. Sie sind beweglich und können dem Sonnenverlauf folgen. So kann die Sonne, so lange sie scheint, auf den Marktplatz der Kleinstadt reflektiert werden.
„Es ist so großartig, die Wärme auf dem Gesicht zu spüren.“
Hier haben sich zur offiziellen Eröffnung am Mittwoch rund 2.500 Menschen versammelt. Einige bringen Sonnenliegen mit, die meisten haben Sonnenbrillen auf der Nase und alle ein Lächeln im Gesicht. „Licht ist wichtig für die Menschen. Es gibt eine Verbindung zwischen Licht und Freude“, sagt der Künstler Andersen dem norwegischen Fernsehsender NRK. Karin Rø vom örtlichen Tourismusbüro pflichtet ihm bei: „Es ist so großartig, die Wärme auf dem Gesicht zu spüren.“ Die Tourismuschefin hofft, dass das große Medienecho nun dazu beiträgt, dass Rjukan für immer ein leuchtender Fleck auf der touristischen Landkarte bleibt.

