China China: Riesenschuhe aus Deutschland für die 2,36-Meter-Frau

Vreden/dpa. - Kürzlich reiste er nach Peking,im Gepäck zwei Paar Halbschuhe und ein Paar Sandalen, die den ganzenKoffer ausfüllten. Mit der Farbe wollte er Yao, die ihre Füße bislangnotdürftig in schwarze Herrenschuhe zwängen musste, überraschen: «Ichweiß, dass sie dunkelrot mag und habe ihre Schuhe in der FarbeOchsenblut gemacht.»
Da die 34 Jahre alte Riesenfrau nicht selbst reisen kann, machtesich Georg Wessels (54) mit einer Dolmetscherin auf denbeschwerlichen Weg zu ihr, der ihn tief in die chinesische Provinzführte. Yao Defen zählt zu den zehn größten Menschen weltweit und diebeschuht der Westfale seit Jahren persönlich, gratis und auf eigeneKosten. «Die meisten Riesen sind durch ihr immenses Wachstum schwerkrank, können sich kaum noch bewegen, geschweige denn um die Weltjetten», sagt Wessels, der durch seinen Einsatz für große Füße vieleharte Schicksale kennen gelernt hat.
Wie das von Yao Defen: Mit 13 Jahren maß sie schon 1,85 Meter. Diein Armut lebenden Eltern verkauften sie an einen Zirkus, in dem dasMädchen zur Schau gestellt wurde. Der Qual konnte sie als Erwachseneentkommen, lebt heute in einer ebenerdigen Wohnung in ihremHeimatdorf. Seit ihrer Kindheit leidet Yao Defen an krankhaftemWachstum, ausgelöst durch einen Hirntumor. Georg Wessels kümmert sichindes nicht nur um Yaos Schuhe: «Ich will helfen, dass sie baldoperiert werden kann.»
Wo die normale Konfektionsgröße bei Damen- und Herrenschuhenaufhört, fängt das Sortiment von Wessels an. In seinem Schuhhaus inVreden hat er nur Übergrößen. Aus allen Teilen der Welt kommen dieMenschen nach Westfalen, um ihren Füßen bequeme, haltbare undmodische Schuhe zu gönnen. Ab Größe 43 für Damen, ab Größe 47 fürHerren. Doch die Rettung der «Riesenfüßler» ist nicht nur «BigBusiness», sondern eine Mission: «Ich habe erlebt, dass die Riesenverlacht werden, oft isoliert und total einsam sind. Keiner nimmt sieernst und betrachtet sie als Menschen. Eher als gefährliche Monsterwie im Märchen.»
Mit dem längsten Mann der Welt, dem Russen Alexander Sizonenko,verbindet Georg Wessels eine langjährige Freundschaft. «Big Alex»,wie der Westfale den 2,48-Meter-Mann nennen darf, war einmal einumjubelter Basketball-Star. Einmal im Jahr besucht ihn Georg Wesselsin seiner St. Petersburger Mini-Wohnung, in der er sich nur gebücktbewegen kann. Auch mit dem inzwischen gestorbenen Amerikaner MatthewMacGrory war Wessels gut befreundet. Ihm fertigte er die größtenSchuhe, die je ein Mensch getragen hat: Größe 69.
Die Werkstatt im heimischen Vreden ist das Reich von Georgs BruderPeter Wessels. Der Schuhmachermeister legt größten Wert auf exakteMaße, bevor er mit der Arbeit beginnt. Von den meisten Riesenfüßen imKundenstamm gibt es Holzleisten. Von der Chinesin Yao Defen hattendie Wessels-Brüder Maßangaben aus dem Krankenhaus in Schanghai, wodie Riesin behandelt worden war. Nun konnte Georg Wessels ihre Füßenoch einmal selbst vermessen.
Das Abenteuer China dauert zehn Tage. Georg Wessels war gespanntauf die Begegnung mit Yao Defen. Denn eines ist bei dieser, wie beiallen anderen seiner Schuh-Missionen rund um den Globus sicher: Siewird einen großen Menschen ein Stückchen glücklicher machen.