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Argentinien Argentinien: Heilige Evita lebt in den Herzen fort

Von Jan-Uwe-Ronneburger 23.07.2002, 13:40
Evita Peron
Evita Peron dpa

Buenos Aires/dpa. - Der Tod Eva Duarte de Peróns vor genau 50 Jahren am 26. Juli 1952kam nicht überraschend. Zu sichtbar hatte die 33-Jährige zuletzt anKrebs gelitten und wog nur noch wenig mehr als 30 Kilogramm. Dennochreagierten Millionen Argentinier fassungslos und mit tiefer, langer,zum Teil bis heute andauernder Trauer auf die Hiobsbotschaft von der«heiligen Evita». Die zehn Tage Staatstrauer bei winterlich-trübemNieselregen konnte niemand der damals Lebenden je wieder vergessen.

So umstritten war die Frau im Leben, dass auch ihr Leichnam nichtin Ruhe gelassen wurde. Nach einer Odyssee durch Europa kam er erst1976 auf dem Prominenten-Friedhof Recoleta in Buenos Aires zurletzten Ruhe.

Ihr Mythos als «Bannerträgerin der Armen» und «Jeanne dArcArgentiniens», wie einige ihrer vielen, heute eher naiv-komischanmutenden Titel lauteten, ist vor allem bei den armen Argentiniernund den Peronisten ungebrochen. Und die Armut hat in den vergangenenJahren mehr als 50 Prozent der Bevölkerung des früher so wohlhabendenLandes fest in den Griff genommen. Keiner der heutigen Politiker wärein der Lage, Emotionen auszulösen wie Evita.

Viele Argentinier vor allem aus der Oberschicht aber waren überden Tod der First Lady mehr als erleichtert. Evita war sowidersprüchlich wie der Peronismus und ebenso entzweite sie dieGesellschaft. Für die einen war sie Vorkämpferin für die Rechte derArmen, für die anderen ein Emporkömmling, der die Unterstützung derArbeitermassen für ihren Mann durch billige Geschenke erkaufte.

Evita stritt für die Rechte der Frauen, deren «natürlichen» Platzsie gleichwohl als «Frau und Mutter» im Einklang mit dem katholisch-konservativen Bürgertum am heimischen Herd sah. Die selbst ernannteAnwältin der «hemdlosen» Tagelöhner hüllte sich selbst in sündhaftteure Kleider aus Paris. Neben dem sozial-revolutionären Pathos standeine konservative und autoritäre Lebenshaltung. Noch heute haben zweiArgentinier mindestens vier verschiedene Meinungen zum Peronismus.

Den Hass der sehr auf Etikette pochenden Oberschicht erwarb sichdie gefärbte Blondine aber auch, weil sie genussvoll die Tabus derfeineren Gesellschaft brach. So entsetzte sie einen elitärenWohltätigkeitsclub von Damen aus besseren Kreisen, indem sie ihre ausärmsten Verhältnissen der Provinz stammende Mutter als Direktorinvorschlug.

Die Oberschichtfrauen hatten es gewagt, Evita dieses traditionellder First Lady zustehende Amt mit dem Argument zu verweigern, sie sei«zu jung». Später reduzierte die für ihre Rachsucht gefürchtete Fraudes Präsidenten den Club zur Bedeutungslosigkeit und gründete die«Stiftung Evita». Als uneheliche Tochter aus kleinen Verhältnissenwar Evita selbst ein Tabubruch.

Den General Juan Domingo Perón, damals Staatssekretär für Arbeitund Soziales unter einer Militärdiktatur, hatte sie 1944 bei einemFestival kennen gelernt. Schon bald heiratete sie den 24 Jahreälteren Mann. Zusammen formten sie die argentinische Gesellschaft ineiner Art, die nach Ansicht ihrer Anhänger bis heute positivfortwirkt. Die Kritiker würden sagen, das Land habe sich von diesemPopulismus und Anspruchsdenken bis heute nicht erholt.