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MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 22. August 2024 Osten driftet auseinander: Ohne Disziplin und Bildung

Weitere Themen: TSMC baut Chipfabrik / Halloren streitet mit Lidl / Aufschwung in der Chemie / DHL bleibt am Flughafen / Kauft Rheinmetall Bahnwerk?

Aktualisiert: 23.08.2024, 12:13
MZ-Wirtschaftsnewsletter Zusammenhalt
MZ-Wirtschaftsnewsletter Zusammenhalt dpa/Stedtler

Nach drei Wochen Sommerpause ist nun der MZ-Wirtschaftsnewsletter zurück. Ich habe mich im Urlaub gut erholt, auch wenn die Rückfahrt von der Ostsee nicht wie geplant verlief. Auf der A19, kurz hinter Rostock, fuhren wir an einem Freitagabend in einen Stau. Durch die Rettungsgasse sausten wenig später fünf Feuerwehren. Vollsperrung. Schnell versammelten sich die Autoinsassen auf der Fahrbahn.

Der Fahrer vor uns - mit einem Hamburger Kennzeichen - putzte erst seine Fensterscheiben und packte dann den Gebetsteppich aus. Neben ihm stand ein Berliner aus Prenzlauer Berg, der aus Schweden kam. Er wollte alles über die AfD und Sachsen wissen. Neben uns war eine Familie, die in Rostock einkaufen und nur einige Kilometer von ihrem zu Hause entfernt war. Sie verteilten dann Kekse und die Kinder verschiedener Familien schauten irgendwann zusammen Trickfilme auf dem Tablet. Was diese wild zusammengewürfelte Gruppe zunächst einte, war der gemeinsame Frust über den Stau. Doch in den 3,5 Stunden wurde am Ende über Gott und die Welt erzählt.

Warum schreibe ich das? Im Urlaub habe ich kaum Medien konsumiert, aber das Buch „Hillbilly-Elegie“ von J.D. Vance gelesen, der bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen als Vize von Donald Trump antritt. Vance hatte vor einigen Jahren aus autobiografischer Perspektive über die Probleme der ländlichen amerikanischen Bevölkerung geschrieben. Vieles, was dort steht, lässt sich auch auf ländliche Regionen in Ostdeutschland übertragen. So beschreibt Vance anschaulich, wie ganze Bevölkerungsschichten wegen Mangel an Disziplin und Schulbildung arbeitslos sind, obwohl viele Firmen händeringend Personal suchen. Das ist auch in Sachsen-Anhalt so. Viele Firmen können freie Stellen nicht besetzen ­- bei gleichzeitig mehr als 80.000 Arbeitslosen.

Die Zahl der offenen Stellen für Fachkräfte war 2021 erstmals höher als die Zahl der qualifizierten Arbeitslosen.
Die Zahl der offenen Stellen für Fachkräfte war 2021 erstmals höher als die Zahl der qualifizierten Arbeitslosen.
Büttner

Es gibt offenbar immer weniger, was Menschen aus dem Rust Belt (Nordosten) der USA mit der Mittelklasse und Oberschicht in New York oder an der Westküste eint. Vance stellt sich die Frage: Was eint Amerika noch? Diese Frage wird spätestens nach den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen auch hier zur Debatte stehen.

Am Dienstag legte der taiwanesische Chipkonzern TSMC in Dresden den Grundstein für eine neue Chipfabrik. In Magdeburg will Intel für 30 Milliarden Euro zwei Chipfabriken bauen. Die Politik feiert das zu Recht als Erfolg. Doch was nützt das einem 50-jährigen Arbeitslosen in Hettstedt oder im sächsischen Geithain?

Auch in Ostdeutschland wird sichtbar, wie die Bevölkerung kulturell und wirtschaftlich gerade auseinanderfällt. Die Wahlerfolge der AfD sind nicht nur Protest, sondern auch Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandels. Was Vance in seinem Buch nicht anbietet, ist eine Lösung. Es gibt auch keine einfache. Doch es wäre schon einmal gut, wenn Politik und Medien die ärmere, ländliche Bevölkerung einerseits nicht als Hinterwäldler darstellt und andererseits auch nicht als arme Opfer, die für ihr Schicksal nichts können.

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Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne

Wichtige Wirtschaftsthemen der vergangenen drei Wochen aus Mitteldeutschland

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Maarten Dirkzwager (l-r) von NXP Semiconductors, Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), TSMC-Chef C.C. Wei, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), ESMC-Präsident Christian Koitzsch, Infineon-Chef Jochen Hanebeck und Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) stehen beim symbolischen ersten Spatenstich für das Chipwerk ESCM zusammen. Die Produktion in der neuen Chipfabrik des taiwanesischen Chipherstellers TSMC soll 2027 beginnen.
Maarten Dirkzwager (l-r) von NXP Semiconductors, Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), TSMC-Chef C.C. Wei, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), ESMC-Präsident Christian Koitzsch, Infineon-Chef Jochen Hanebeck und Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) stehen beim symbolischen ersten Spatenstich für das Chipwerk ESCM zusammen. Die Produktion in der neuen Chipfabrik des taiwanesischen Chipherstellers TSMC soll 2027 beginnen.
Foto: Jasmin Beisiegel/dpa

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DHL-Chef Tobias Meyer hat ein langfristiges Bekenntnis zum Flughafen Leipzig/Halle abgegeben.
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