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MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 4. Juli 2024 Mehr Firmen in Schieflage: Ist das schon eine Pleitewelle

Weitere Themen: Erste digitale Baugenehmigung / Impfstoff-Hersteller verkauft / 1.200 Jobs bei VW gefährdet / Sanierer am Flughafen / Neo-Rauch-Bild als Pfand

04.07.2024, 09:00
MZ-Wirtschaftsnewsletter Insolvenzen
MZ-Wirtschaftsnewsletter Insolvenzen Fotos: dpa/Stedtler

„Das bricht vielen Betrieben das Genick“, „Die Pleitewelle rollt 2024 weiter“ „Industriestreben in Deutschland“: Die Überschriften zur neuen Insolvenzbilanz der Wirtschaftsauskunftei Creditreform waren ziemlich laut. 30 Prozent mehr Firmenpleiten wurden im ersten Halbjahr 2024 gezählt, insgesamt 11.000. In Sachsen-Anhalt waren es in den ersten sechs Monaten 180 Firmeninsolvenzen. Das waren immerhin 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Es gab darunter auch einige prominente Firmen wie die Recycling-Firma APK aus Merseburg, der Magdeburger Fleischereibetrieb „Delikata“ oder das hallesche Autoscan-Start-up Twinner.

Nach Angaben von Martin Plath, Standortleiter bei Creditreform in Halle, gelingt meist nur bei den größeren Unternehmen eine Sanierung. „Die meisten kleinen und mittleren Firmen verschwinden vom Markt“, so der Insolvenzexperte.

Über die Gründe wird seit Monaten bereits intensiv diskutiert: Eine stagnierende Wirtschaft, weiter hohe Energiepreise, hohe Zinsen und auch der Verlust von Absatzmärkten in Russland machen vielen ostdeutschen Firmen das Leben schwer. Doch wer sich die Mühe macht, nicht nur die ersten Zeilen der Creditreform-Meldung zu lesen, der stellt schnell fest, dass von Pleitewelle keine Rede sein kann. Vielmehr war durch niedrige Zinsen und die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in der Corona-Pandemie die Zahl der Pleiten seit 2017 ungewöhnlich niedrig.

In diesem Jahr werden rund 20.000 Firmeninsolvenzen erwartet. Das liegt aber noch unter dem Niveau von vor zehn Jahren.
In diesem Jahr werden rund 20.000 Firmeninsolvenzen erwartet. Das liegt aber noch unter dem Niveau von vor zehn Jahren.
Grafik: Büttner

Der bekannte hallesche Insolvenzverwalter Lucas Flöther sprach mal von Zombie-Unternehmen, die Untoten der Wirtschaft, die sich in den vergangenen Jahren nur wegen dieser Ausnahmesituation am Markt halten konnten.

Der neue Präsident der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK), Sascha Gläßer, würde eine solche Formulierung sicher nie gebrauchen. Gläßer, der auch Vorstandschef der Volksbank Halle ist, weist aber auch darauf hin, dass über alle Banken hinweg die Ausfallraten bei den Krediten genau bei den Erwartungswerten liegen.

„In der Baubranche erleben wir aktuell mehr Insolvenzen, für jedes einzelne Unternehmen ist das bitter. Insgesamt bewegen wir uns aber im langjährigen Schnitt.“

Volksbank-Chef Sascha Gläßer spricht über seine ersten 100 Tage als IHK-Präsident
Volksbank-Chef Sascha Gläßer spricht über seine ersten 100 Tage als IHK-Präsident
Foto: DSK

Das heißt nicht, dass es keine Probleme gibt. „Die Energiepreise waren zuletzt sehr hoch, sodass energieintensive Industriefirmen in Sachsen-Anhalt in Bedrängnis geraten“, sagt Gläßer im MZ-Interview. Seit langem kritisiert die IHK, dass mit der Abschaltung der Atom- und Kohlekraftwerke das Energieangebot reduziert und nicht gleichwertig durch erneuerbare Energien ersetzt wird. „Die ideologisch geprägte Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre führt häufig in die Sackgasse“, so Gläßer.

Doch die aktuellen Insolvenzzahlen taugen auch nicht als Beweis, dass es mit Deutschland bergab geht. Im Jahr 2015, als Deutschland mehr als 23.000 Firmenpleiten hatte, lautete die Schlagzeile für das Wirtschaftsjahr: „Der Aufschwung setzt sich fort“.

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Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne

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Koreaner übernehmen Impfstoff-Hersteller

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Für  die Erweiterung der Corona-Impfstoffproduktion investiert das Pharma-Unternehmen IDT Biologika rund 100 Millionen Euro. Das Unternehmen kann nun wöchentlich bis zu fünf Millionen Impfdosen herstellen.
Für die Erweiterung der Corona-Impfstoffproduktion investiert das Pharma-Unternehmen IDT Biologika rund 100 Millionen Euro. Das Unternehmen kann nun wöchentlich bis zu fünf Millionen Impfdosen herstellen.
Foto: Stedtler

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Foto: P3

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Michael Hengstmann ist nun Chief Restructuring Officer (CRO) bei der Mitteldeutschen Flughafen AG.
Michael Hengstmann ist nun Chief Restructuring Officer (CRO) bei der Mitteldeutschen Flughafen AG.
Foto: MFAG

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Foto: Hendrik Schmidt/dpa

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