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MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 25. Juli 2024 Hohe Preise: Kunden fühlen sich ausgenutzt

Weitere Themen: VNG investiert in Wasserstoff / Brückenbau blockiert Tourismus / Mehr Diebstahl im Handel / Seilbahn über Geiseltalsee? / Schub für Satelliten

25.07.2024, 09:00
MZ-Wirtschaftsnewsletter zu Preisen
MZ-Wirtschaftsnewsletter zu Preisen Foto: dpa/Stedtler

die Inflation ist schon häufig Thema in diesem Newsletter gewesen. Heute soll es darum gehen, in welchem Maß aktuell krisengeschüttelte Branchen wie die Gastronomie und Bäckereien durch ihre Preissetzung für ihre Probleme zumindest teilweise selbst verantwortlich sind.

Im vergangenen Jahr bin ich mit Kollegen in Halle in einem Irish Pub gewesen und habe für zwei Apfelschorlen – ich musste noch fahren – zwölf Euro bezahlt. Ich habe mir den Beleg aufgehoben, damit es mir auch jeder glaubt. In diesem Lokal war ich seither nicht mehr.Zu Himmelfahrt war ich dann mit Freunden in Oberfranken. Das Bier (Helles 0,5 Liter) hat in den meisten Biergärten keine vier Euro gekostet. Es blieb meist nicht bei einer Runde.

Ja, das sind nur Anekdoten. Doch solche Erfahrungen hat inzwischen jeder gemacht. Die Preissetzung in einigen Lokalen ist für die Kunden ein Rätsel. „Verbraucher geben im Zuge der Inflation weniger Geld aus – auch in der Gastronomie. Bei Krisen geht das Portemonnaie zu“, sagt Michael Schmidt, Präsident des Landesgastroverbandes Dehoga, meiner Kollegin Lisa Garn.

Die Wirtschaftsforscherin Doreén Pick hält etliche Preisanhebungen in der Gastronomie für fragwürdig.
Die Wirtschaftsforscherin Doreén Pick hält etliche Preisanhebungen in der Gastronomie für fragwürdig.
Foto: HS Merseburg

Etwas differenzierter sieht es Preisforscherin Doreén Pick. „Ein großes Bier für fünf Euro, Café Crema für drei Euro – Verbraucher fühlen sich ausgenutzt“, so die Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Merseburg. „Weil sie wissen, was eine Cola, ein Bier, ein Kaffee im Einzelhandel kosten.“ Ein Beispiel: 2019 habe die Produktion einer Tasse Kaffee 34 Cent gekostet, inklusive Energie, Wartung und Personal. „Die Produktion dürfte heute, Kostensteigerungen eingerechnet, bei etwa 70 Cent liegen. Demgegenüber wirkt der Aufschlag doch sehr hoch.“ Höhere Preise beim Essen stießen dagegen auf mehr Akzeptanz, weil es zubereitet werde. Es müsse eine Option sein, weniger Gewinn zu erzielen, so Pick, „um am Ende mehr Gäste zu haben“.Noch prekärer ist die Lage bei den Bäckereien. Dort nimmt die Preisdifferenz zwischen den handwerklichen Bäckern und Filial-Bäckereien auf der einen Seite und den Backtheken in Discountern und Supermärkten auf der anderen Seite deutlich zu. Bei vielen Bäckern kostet das Buttercroissant inzwischen mehr als 1,60 Euro, beim Discounter sind es an der Frischetheke im Schnitt 75 Cent. Ja, es gibt da Qualitätsunterschiede. Doch diese werden zunehmend kleiner.

Die Zahl der handwerklichen Bäckereien im Kammerbezirk Halle ist in den vergangenen zehn Jahren um knapp ein Drittel gesunken.
Die Zahl der handwerklichen Bäckereien im Kammerbezirk Halle ist in den vergangenen zehn Jahren um knapp ein Drittel gesunken.
Grafik: Prepress Media

Der hallesche Bäckermeister Andreas Karstens, Inhaber der Bäckerei Rödel, sagt daher auch: „Wir haben die Preise nicht so sehr angehoben und verzichten zeitweise auf Gewinne.“ Wegen teurer Milch backe er derzeit keine Torten. „Mit der Strategie fahren wir bisher gut“, so Karstens. Ein Croissant kostet bei ihm 1,20 Euro, ein Brötchen 40 Cent.

Nach Ansicht von Manfred Stelmecke, Vorstand bei der Bäckerinnung Sachsen-Anhalt, gibt es ein Grundproblem: „Bereits seit Anfang der 90er Jahre müssen die Bäckereien steigende Kosten über höhere Produktpreise ausgleichen.“ Durch stark gestiegene Energie- und Rohstoffkosten sei das in den vergangenen zwei Jahren schwierig gewesen. „Wer zu stark die Preise angehoben hat, dem bricht die Menge weg, weil die Kunden ausbleiben“, so der Bäckermeister.

Zweifellos befinden sich Gastronomen und Bäcker in einer schwierigen Lage. Diese soll hier auch nicht kleingeredet werden. Am Ende ist es aber wahrscheinlich die bessere Strategie, nicht alle Kosten gleich an die Kunden weiterzugeben, sondern vor allem darauf zu achten, dass die Menge erhalten bleibt. Denn wer einmal Kunden verliert, hat es schwer, diese wieder neu zu gewinnen.

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Der Newsletter wird aufgrund meines Urlaubs in den kommenden drei Wochen pausieren. Die nächste Ausgabe kommt am 22. August 2024.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern weiter einen entspannten Sommer. Herzlich Steffen Höhne

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