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MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 13. Juni 2024 Die Wirtschaft und die Fußball-EM: Vom Frust zur Lust

Weitere Themen: Schadet AfD der Wirtschaft? / Baubeginn für Flugzeugwerk / Schweinepest im Schlachthof / Moderatorin wird Radio-Chefin / Geldregen für Start-up

Aktualisiert: 13.06.2024, 10:43
Newsletter EM
Newsletter EM dpa

der Hallenser Sven Roloff ist fußballverrückt. Seit Jahren reist der IT-Spezialist zu Spielen der deutschen Nationalmannschaft. So hat er 2014 den WM-Sieg in Brasilien mitgefeiert. Fragt man ihn, der auch Mitglied im Fanclub der Nationalmannschaft ist, wie es um die Fußballeuphorie im Land steht, dann sind die Menschen gerade auf direktem Weg vom Nationalmannschaftsfrust zur Europameisterschaftslust. „Die Stimmung war bei den letzten Testspielen schon richtig gut, man merkt, dass die Vorfreude steigt und alle dem EM-Beginn entgegenfiebern“, sagte Roloff meinem MZ-Kollegen Julius Lukas.

Bei uns in der Redaktion ist von EM-Vorfreude bislang allerdings gedämpft. Public Viewing, also das öffentliche Gucken auf Großbildleinwänden, bei dem sich beim WM-Sommermärchen 2006 in Deutschland so viele fremde Menschen in den Armen lagen, wird nur noch in wenigen Städten angeboten. Vor allem in den Austragungsorten wie in Leipzig wird es auf Fanmeilen noch große Leinwände geben. Die meisten Deutschen haben auch gar keine Lust zum gemeinsamen Fußball-Erlebnis.

Die schottischen Fans feiern bereits in der Münchner Innenstadt.
Die schottischen Fans feiern bereits in der Münchner Innenstadt.
Foto: Peter Kneffel/dpa

Mehr als 70 Prozent der Deutschen wollen die Spiele vor dem heimischen Fernseher verfolgen, ergab eine repräsentative Umfrage der Universität Hohenheim, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Die geeignetsten TV-Experten für EM-Berichterstattungen sind für die Deutschen das Weltmeistertrio Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker und Christoph Kramer.

Ins Stadion zieht es nur eingefleischte Fans. Fast 14 Prozent der Befragten haben sich laut Umfrage über das offizielle Ticketportal der UEFA für ein Ticket bei der EM 2024 beworben. Davon haben 45 Prozent auch ein Ticket erhalten. Aktuell schießen vor allem die Schwarzmarktpreise für die deutschen Spiele nach oben. Die Forscher der Uni Hohenheim fragten ab, wie viel die Deutschen für ein solches Ticket bezahlen würden. Im Schnitt sind es 184 Euro. Dieser stolze Preis zeigt, dass die Nationalmannschaft wertgeschätzt wird.

Die Tickets für die Spiele sind in den vergangenen Zehn Jahren deutlich teurer geworden.h
Die Tickets für die Spiele sind in den vergangenen Zehn Jahren deutlich teurer geworden.h
Statista

Wirtschaftlich wird die EM, da sind sich die Ökonomen einig, nur begrenzt Impulse liefern. „Die Erfahrung der Fußball-WM im Jahr 2006 zeigt: Sportliche Großereignisse sind kein Konjunkturfeuerwerk“, stellt Konjunkturexperte Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln fest. „Viele Verbraucher werden die EM zwar zum Anlass nehmen, um sich einen neuen Fernseher zu kaufen, zum Public Viewing einzuladen oder beim Mitfiebern ein Bier mehr zu trinken. Doch dafür sparen sie an anderer Stelle: Bratwurst statt Restaurant, Fernsehabend statt Kinobesuch. Die Konsumausgaben steigen folglich nicht unbedingt, sondern verschieben sich.“

Profitieren werden voraussichtlich die Austragungsorte. Oliver Holtemöller, Vize-Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, hat zusammengerechnet, dass etwa 650.000 Fußballtouristen aus dem Ausland kommen. Hotels und Gaststätten dürfen sich freuen. Doch auch da gießt Holtemöller etwas Wasser in den Wein: Andere ausländische Städtetouristen, die sonst kommen würden, machen in dieser Zeit einen Bogen um Deutschland.

Doch womöglich hat die EM einen anderen, viel größeren wirtschaftlichen Nutzen. Nach Corona-Pandemie, Energiepreiskrise und Inflation befindet sich Deutschland auch mental im Dauerkrisenmodus. Das Vorrunden-Aus bei Weltmeisterschaft 2022 in Katar passte da zum allgemeinen Stimmungsbild. Doch was ist, wenn das Nationalteam nun alle 82 Millionen Fußballexperten überrascht und im Turnier weit kommt? Bundestrainer Julian Nagelsmann hat als Ziel den Titelgewinn ausgegeben. Gut so. Die deutsche Nationalmannschaft und die deutsche Wirtschaft haben einige Gemeinsamkeiten. Es gibt viel Qualität, doch die muss auch auf den Rasen beziehungsweise auf den Markt gebracht werden. Dann kommt die Euphorie von ganz allein.

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Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne

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