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HIER SCHREIBT KAI GAUSELMANN Hass und Hunde

21.06.2024, 08:00
Der stellvertretender MZ-Chefredakteur Kai Gauselmann
Der stellvertretender MZ-Chefredakteur Kai Gauselmann (Foto: Tobias Büttner/Andreas Stedtler)

Leute in knallbunten Kostümen, grell geschminkt, mit komischen Hüten und begleitet von lauter Musik - klingt nach Karneval. Der Ort passte dazu: Köthen, dank KuKaKö die Hochburg der Narretei in Sachsen-Anhalt. Aber im Juni? Es war ein buntes und ausgelassenes Völkchen, das da am vergangenen Wochenede durch die anhaltische Stadt zog, aber es waren keine Karnevalisten. Es waren etwa Homosexuelle oder Leute, die sich selbst nicht als Mann oder Frau verstehen, auch wenn sie mit einem entsprechenden biologischen Geschlecht geboren wurden. Diese Gemeinschaft nennt sich selbst „LGBTQIA+“-Community. Nach den englischen Abkürzungen für verschiedene sexuelle Identitäten, im Grunde für alle, die sich nicht als Heterosexuelle verstehen: Viele kleine Gruppen, in Summe aber nicht viele Menschen, in großen Städten gibt es etwas mehr, in kleinen Städten weniger - überall sind sie eine Minderheit. Jedenfalls wollte sich diese Gemeinschaft in Köthen einmal ausgelassen und frei feiern, deshalb veranstaltete sie den ersten Christopher Street Day dort. Eine Parade und eine Demonstration: um zu zeigen, dass sie zur Gesellschaft gehört und um Verständnis zu werben. Das ging leider nur unter dem Schutz der Polizei. Trotzdem haben Leute vorher Buttersäure auf dem Markt verschüttet, um die Veranstaltung zu stören. Haben eine Regenbogenfahne von einem Balkon gerissen. An Wände Graffiti gesprüht wie „Tötet alle Schwulen“. Mir ist schleierhaft, warum man das macht. Woher kommt dieser Hass? Man muss sich ja nicht gleich eine bunte Klamotte anziehen und da mitlaufen. Warum kann man andere Leute nicht einfach so leben lassen, wie sie es wollen solange sie niemand anderen einschränken oder ihm schaden? Wenn Sie das wissen, freue ich mich über Hinweise. Am Ende dieses Newsletters finden Sie meine Mailadresse. Hier geht es zum Text meiner Köthener Kollegen über den ersten Christopher Street Day dort, mögen ihm noch viele folgen - hoffentlich kann irgendwann auf Polizeischutz verzichtet werden.

"Kill all Gays" - "Tötet alle Schwulen" hatte jemand an der Route des Christopher Street Days in Köthen an eine Wand geschmiert.
"Kill all Gays" - "Tötet alle Schwulen" hatte jemand an der Route des Christopher Street Days in Köthen an eine Wand geschmiert.
(Foto: Stefanie Greiner)

Die Sachsen-Anhalter der Woche: Ares und Kiwi

Dieser Sachsen-Anhalter hat vier Beine: Ares ist kein Mensch, sondern ein Bürohund. Er begleitet sein Frauchen zum Job bei der Burchard Führer GmbH - und der King Charles Spaniel ist, wenn auch unbezahlt, mittlerweile ein nicht mehr wegzudenkender Teil des Teams. Ähnlich wie sein Kollege Kiwi. Warum ich das erzähle? Na, heute ist der Tag des Bürohundes. Ja, auch das gibt es. Das Phänomen Bürohund hat sich verstärkt durch Corona; viele Angestellte haben sich in der Pandemie im Homeoffice einen Hund zugelegt, und stehen jetzt nach der Rückkehr in die Firma vor dem Dilemma, das Tier einen Arbeitstag alleine lassen, anderweitig unterbringen oder wieder abschaffen zu müssen. Betriebe wie die Dessauer Immobilienfirma bieten einen Ausweg: Die Beschäftigten dürfen ihren Hund mitbringen, und das machen dort einige. Warum der Arbeitgeber das mitmacht, welche Vor- und Nachteile es gibt, das hat mein Kollege Max Hunger recherchiert. Hier geht es zum Text.

Kiwi bei der Arbeit: Bei einer Immobilienfirma in Dessau-Roßlau darf man seinen Hund mit zur Arbeit bringen.
Kiwi bei der Arbeit: Bei einer Immobilienfirma in Dessau-Roßlau darf man seinen Hund mit zur Arbeit bringen.
(Foto: Anna Lena Giesert)

Der Kurzschluss der Woche: Detlef Gürth

Was für ein Albtraum. Das erste Mal seit Jahren macht es Spaß, der Deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Arbeit zuzuschauen, man sitzt bei Kaltgetränken im Garten mit Freunden und guckt das Fußballfest gegen die Schotten - und plötzlich dringt ein Fremder in den Garten ein und sticht auf Menschen ein. In Wolmirstedt in der Börde ist das vergangenen Freitag traurige Realität geworden. Ein afghanischer Flüchtling hat dort einen anderen Afghanen getötet und drei Menschen schwer verletzt. Hoffentlich werden die Verletzten möglichst rasch und möglichst vollständig genesen und das Geschehen bewältigen. Die Hintergründe der Tat sind noch unklar, der Täter wurde von der Polizei erschossen, Hinweise etwa auf islamistischen Terrorismus haben die Behörden nicht. Diese Bluttat hat über Sachsen-Anhalt hinaus Entsetzen ausgelöst und befeuert auch die Debatte über die Asylpolitik. Und natürlich geht eine solche Tat auch an Politikern nicht spurlos vorbei, die sind ja auch nur Menschen. Zu ihrem Job gehört es nach meinem Verständnis aber, in solchen Situationen die Nerven zu bewahren, zu überlegen, wie Opfern geholfen und wie verhindert werden kann, dass so etwas überhaupt passiert. Detlef Gürth sieht das möglicherweise anders. Der Landtagsabgeordnete der CDU hat jedenfalls auf dem Social-Media-Dienst X Falschnachrichten verbreitet und Flüchtlinge pauschal als „Pack“ bezeichnet. Sein Beitrag wurde dann gelöscht oder er hat ihn gelöscht. Hier geht zu der Recherche meines Kollegen Hagen Eichler.

Ein Bild aus besonnereren Tagen: Detlef Gürth war mal Präsident des Landtages
Ein Bild aus besonnereren Tagen: Detlef Gürth war mal Präsident des Landtages
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Die Zahl der Woche: 45,2 Prozent

Bei den Europa- und Kommunalwahlen hat die AfD ziemlich abgeräumt, vor allem im Osten. Mancherorts wird seitdem gerätselt, was denn mit „den Ostdeutschen“ los sei, als ginge es um eine Verhaltensauffälligkeit. Bisschen irritierend, zu welch glasklarer Ferndiagnose mancher von Berlin aus schon am Wahlabend kam. Als Zeitung vor Ort brauchen wir kein Fernglas, wir reden einfach mit den Menschen. Also hat sich mein Kollege Julius Lukas am Montagfrüh nach der Wahl auf die Socken gemacht und hat sich in Schnaudertal im Burgendlandkreis umgehört. Hier hat die AfD bei der Kreistagswahl 45,2 Prozent geholt, so viel wie sonst nirgends in Sachsen-Anhalt. Streng genommen ist das nicht die Zahl der Woche, sondern der Vorwoche. Aber Julius Lukas hat nun im Nachgang seinem Reporterkollegen Max Hunger in unserem Podcast „Hinter den Headlines“ erzählt, was man in seinem Text nicht lesen konnte: Wie die Recherche abgelaufen ist, wie ihm die Schnaudertaler begegneten, welche Eindrücke er persönlich hatte - ein klassischer Blick hinter die Kulissen. Hier geht es zum Podcast. Und wer den Text vergangene Woche verpasst hat, kann ihn hier noch nachlesen.

Eine weitere Besonderheit des Wahlergebnisses war, dass viele junge Leute ihre Kreuze bei AfD und CDU gemacht haben. Erstmals konnten in Deutschland ja auch 16-Jährige bei der EU-Wahl mitmachen. Die Berliner Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte das ermöglicht, wohl in der Hoffnung auf höhere Stimmenanteile. Ging also eher nach hinten los. Meine Kollegin Lisa Garn hat nun mal mit jungen Leuten in Eisleben gesprochen, warum sie wie gewählt haben. Mit einem spannenden Ergebnis, hier geht es zu ihrem Text.

Blick hinter die Kulissen: Julius Lukas (re.) spricht mit Max Hunger im MZ-Podcast über seine Recherche in Schnaudertal.
Blick hinter die Kulissen: Julius Lukas (re.) spricht mit Max Hunger im MZ-Podcast über seine Recherche in Schnaudertal.
(Foto: Tobias Büttner/Andreas Stedtler)

Die Tipps der Woche: Das Ferienprogramm

Heute ist nicht nur Bürohundetag, sondern für 211.000 Sachsen-Anhalter der beste Tag des Jahres - nämlich für alle Schüler. Heute gehen die Ferien los, sechs Wochen am Stück frei - da kann man als Arbeitnehmer nur seufzend dem Nachwuchs einen schönen Sommer gönnen. Damit der lang, aber nicht langweilig wird, haben wir für die Region schonmal ein paar Tipps für Ausflüge und anderen Ferienspaß gesammelt. Das Spektrum reicht vom größten Hindernisparcours Ostdeutschlands bis zum Theater auf dem „Kalimandscharo“. Viel Spaß! Ihr habt es Euch verdient. Hier geht es zu den Tipps.

Der "Kalimandscharo" in Zielitz, eine Abraumhalde. Hier gibt es am Ferienbeginn Theater-Festspiele.
Der "Kalimandscharo" in Zielitz, eine Abraumhalde. Hier gibt es am Ferienbeginn Theater-Festspiele.
(Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Das war meine MZ-Woche. Ich freue mich über Anregungen, Fragen und Kritik unter [email protected] Ich wünsche Ihnen ein friedliches und schönes Wochenende,

Ihr Kai Gauselmann