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0340 Newsletter Dessau 28. März #99 Nach neuer Doku: Welche Verpflichtung sich aus dem Fall Yangjie Li in Dessau-Roßlau ergibt

Warum Fridolin M. Kraska nichts ans Aufhören denkt - Wieso im Anhaltischen Theater über den Osten diskutiert wird

28.03.2025, 08:00
0340 Newsletter Dessau Steffen Brachert
0340 Newsletter Dessau Steffen Brachert Thomas Ruttke

am Anfang stand eine Suche per Fernbedienung. Wo ist eigentlich „RTLZwei“ auf dem Fernseher? Dann kam die Sorge dazu. Was kann schon herauskommen, wenn ausgerechnet dieser Sender eine Doku zum Thema Yangjie Li in Auftrag gibt und sendet?

Der Fall Yangjie Li hat Dessau-Roßlau - und auch die MZ geprägt. Von der ersten Vermisstenmeldung der jungen chinesischen Studentin bis zum Fund der vergewaltigten und schwer misshandelten Leiche, von der Festnahme zweier Tatverdächtiger bis zum Prozess und zum Urteil am Landgericht Dessau. Monatelang haben die Kollegen der Redaktion den Fall verfolgt und recherchiert. Und immer wieder gedacht, jetzt ist erst einmal alles geschrieben. Um dann wieder etwas zum Kopfschütteln zu erfahren. Die Chronik der damaligen beispiellosen Ereignisse ist bis heute online.

Über acht Jahre ist das her. Doch manche Details haben sich bei mir bis heute eingeprägt. Ein Beispiel: Wir hatten damals von der Festnahme zweier Tatverdächtiger erfahren und gerade die Online-Meldung veröffentlicht, als mein Telefon klingelte. „Warum gehen Sie denn automatisch davon aus, dass da zwei Männer vorläufig festgenommen wurden?“ Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, dass an dieser brutalen Tat eine Frau beteiligt war. Wir haben die Meldung kurz darauf aktualisiert. Und wenig später über das Facebook-Profil des Hauptverdächtigen erfahren, dass dieser der Sohn einer Polizistenfamilie ist. Es war ein Fall voller Unglaublichkeiten.

„Hass.Hetze.Hoffnung“ hat RTLZwei die Doku genannt. Es war wahrscheinlich das Zugeständnis der Filmemacher an den Sender. Drinnen gab es viel Nachdenkliches, viel Nachdenkenswertes. Von Rudolf Lückmann, dem Professor der Hochschule Anhalt. Von Sven Peitzner, der Berliner Anwalt, der damals die Eltern von Yangjie Li als Nebenkläger vor Gericht vertrat. Von Vanessa Vu, einer Spiegel-Journalisten. Alle kämpfen auch gegen das Vergessen.

Nächsten Jahr wird der Mord zehn Jahre her sein. Dessau-Roßlau ist in der Pflicht, dass der Strauch weißer Rosen, gepflanzt in Erinnerung an Yangjie Li, dann immer noch blüht. Viele Grüße, Steffen Brachert.

RÜCKBLICK

Dessauer der Woche

Dass er jetzt 85 Jahre alt wird, ist für Fridolin M. Kraska nur eine Randnotiz, sowie das Alter für ihn nur eine Zahl ist. Für ihn kommt es darauf an, was man mit der gegebenen Lebenszeit anfängt. „Dieser Spruch, dass Rentner niemals Zeit haben, den habe ich früher etwas belächelt. Jetzt selbst in dem Alter kann ich das irgendwie bestätigen“, sagt der Künstler. „Am schlimmsten ist es für mich nichts zu tun, keine Pläne, keine Ziele oder keine Termine zu haben.“ Viel Zeit verbringt er in seinem Atelier im Dachgeschoss seines Hauses. Zu seinem Geburtstag zieht es ihn nach Chemnitz, in die „Kulturhauptstadt Europas“.

Maler Fridolin M. Kraska ist am Donnerstag 85 Jahre alt geworden.
Maler Fridolin M. Kraska ist am Donnerstag 85 Jahre alt geworden.
Foto: Thomas Ruttke

Fridolin M. Kraska wurde am 27. März 1940 im damaligen ostpreußischen Tilsit als Manfred Kraska geboren. In der Studienzeit wird ihm der Name „Fridolin“ verpasst. Er findet Gefallen daran. Heute sind der Name, wie die große eckige Brille sein Markenzeichen. Als Vierjähriger muss er vor dem Krieg fliehen. Die Familie landet in Weimar. Dort wächst Kraska auf, entdeckt die Kunst für sich und absolviert eine Lehre als Dekorationsmaler. In Dresden studiert Kraska angewandte Kunst, wird Bühnenassistent im Nationaltheater Weimar und später Bühnenbildner bis 2003 am Dessauer Theater.

In Dessau erlebt Kraska die Zeit der Friedlichen Revolution und widmet 20 Jahre später mit dem Titel „Keine Gewalt“ diesem Ereignis in der Johanniskirche ein malerisches Denkmal. „Zur Wendezeit dachte ich dann, meine Themen verloren zu haben“, erzählt Kraska. Das Gegenteil ist der Fall. Soziale Verhältnisse, Raubbau, Verschwendung und Ukraine-Krieg. Was entsteht, sind meist abstrakte Kunstwerke. „Mit Trends und Hypes, die mitunter viel Geld bringen, kann ich nichts anfangen“, bekennt Kraska. Da bleibt er sich treu und ist wunschlos glücklich. Also fast. „Eine Ausstellung meiner Werke von früher Jugend bis heute, das wär’s“.

MZ-Geschichten der Woche

+++Dessau-Roßlau hat in den vergangenen zehn Jahren fünf von 24 Apotheken verloren. Patienten bekommen das nicht nur im Kaufland-Center in Mildensee zu spüren. Wovor die Apothekenkammer warnt, das hat MZ-Kollegin Heidi Thiemann notiert.

+++17 Jahre lang wohnte eine Familie aus Vietnam friedlich und ohne Probleme in Roßlau. Doch seit Kurzem erfährt sie Belästigung durch Unbekannte. Es begann mit Klingelstreichen und Telefonterror. Nun ist das Ganze eskaliert, wie MZ-Kollege Robert Horvath im Gespräch mit der Familie erfuhr.

Yen Hoan Do und ihre Mutter Nguyen Thuj Phuong werden in Roßlau angefeindet - und haben sich an die MZ gewandt.
Yen Hoan Do und ihre Mutter Nguyen Thuj Phuong werden in Roßlau angefeindet - und haben sich an die MZ gewandt.
Foto: Thomas Ruttke

+++Die Astronomische Station am Walter-Gropius-Gymnasium wird seit 1967 für den Unterricht genutzt. Nun ist die bundesweit erscheinende Zeitschrift „Astronomie und Raumfahrt“ auf die Einrichtung aufmerksam geworden und würdigt sie in ihrer neuesten Ausgabe, wie MZ-Kollegin Heidi Thiemann berichtet.

+++Der Traditions- und Schwimmbadverein Meinsdorf hat eine Online-Spendenaktion ins Leben gerufen, um einen neuen Steg zu finanzieren. 7.000 Euro wollte man sammeln - und wurde vom Erfolg überrascht, so MZ-Kollegin Sylke Kaufhold.

+++Es gibt neue Hiobsbotschaften: Die Sanierung der Wissenschaftlichen Bibliothek im Palais Dietrich in der Zerbster Straße in Dessau wird noch einmal teurer und das Projekt wird wohl auch nicht mehr in diesem Jahr fertig. Die Hintergründe hat MZ-Kollegin Sylke Kaufhold beschrieben.

AUSBLICK

Fest und Bühne

+++„Tanzt! Tanzt! Tanzt!“ heißt es am Sonnabend, 29. März, 18 Uhr, im Anhaltischen Theater. Versprochen wird ein zeitgenössischer Tanzabend mit Choreografien von Stefano Giannetti, Nunzio Impellizzeri und Yaron Shami. Die Kritiken waren durchweg positiv.

+++Einen frühlingshaften Tag mit Handwerkskunst, Gesprächen und hausgemachtem Kaffee und Kuchen gibt es am Samstag, 29. März, im Garten des VorOrt-Hauses in der Dessauer Wolfgangstraße zu erleben. Von 13 bis 17 Uhr findet dort der diesjährige Frühlingsmarkt mit vielen regionalen Produkten statt.

+++Testament und Erbschaft sind ernste Themen? Nicht mit Jurist Lutz Teetzen. Der kann seinem Beruf als Nachlassrechtspfleger auch Lustiges abgewinnen und erobert damit seit einigen Jahren als Kabarettist die Bühnen Deutschlands. Sonnabend, 29.März, 19 Uhr, heißt es in der Villa Krötenhof „Erbschleicherei – eine heitere Rechtsberatung“.

+++Livemusik verspricht am Sonnabend, 29.März, wieder das „Shamrock“ im ehemaligen Ratskeller im Dessauer Rathaus: Ab 21 Uhr spielt dort die Johnny-Cash-Cover-Band „Duo Thing“. Der Eintritt ist frei.

Autor Dirk Oschmann ist am Sonntag zu Gast im Anhaltischen Theater.
Autor Dirk Oschmann ist am Sonntag zu Gast im Anhaltischen Theater.
Hendrik Schmidt/dpa

+++Einen spannenden Abend im Anhaltischen Theater verspricht der Sonntag, 30. März: Ab 17.30 Uhr ist dort der Autor Dirk Oschmann zu Gast, um aus seinem Buch „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ zu lesen. Ursprünglich sollte die Lesung schon im November 2024 stattfinden, musste damals aber ausfallen. An Brisanz hat das Thema aber nicht verloren. Oschmanns These: Der Westen definiert sich 35 Jahre nach dem Mauerfall noch immer als Norm und den Osten als Abweichung. Kirchenpräsident a.D. Joachim Liebig übernimmt die Moderation dieser Veranstaltung. Tickets gibt es hier.

+++„Gute Frage!“ heißt das Programm, mit dem Wigald Boning und Bernhard Hoëcker auf Tour sind. Am Sonntag, 19 Uhr, sind beide im Mitteldeutschen Theater von Dieter Hallervorden zu Gast. Die Vollblutoptimisten Wigald und Bernhard bearbeiten jede gestellte Frage - und das aus allen Perspektiven. Gespannt darf man auch sein, ob Boning in Dessau wieder Baden geht. Dass macht der Komiker seit vielen Monaten jeden Tag - egal wo er ist und egal wie kalt es ist.

Topf und Pfanne

+++Im Oktober 2024 hatte in Köthen überraschend das Restaurant „Filou“ geschlossen. Nun gibt es am Standort im Hotel „Anhalt“ einen Neustart. Aus Pfaffendorf zieht das „Amantia“ in die Räume. Die Umbauarbeiten laufen, die Eröffnung ist zeitnah geplant,

EINBLICK

MZ-Social-Media-Post der Woche

+++Warum saß der Bitterfelder AfD-Bundestagsabgeordnete Kay-Uwe Ziegler bei der Konstituierung des 21. Bundestags vorn im Präsidium neben Gregor Gysi? Diese Frage und natürlich auch die Antwort darauf sorgte bei Facebook für die viele Diskussionen. Der Post erreichte 14.800 Personen und war der Reichweitensieger in dieser Woche.

Der Facebook-Post zur Bundestagskonstituierung.
Der Facebook-Post zur Bundestagskonstituierung.
(Screenshot: Facebook)

Meist geklickter Beitrag der Woche

+++Sandspielzeug, Bälle, Kegel, ein Tischtennis-Set: All das war in der neuen Spielkiste im Dessauer Schillerpark. Die Freude bei der Spielplatzinitiative währte aber nur ein paar Stunden. Dann war die Kiste geplündert. Der Ärger war so groß wie das Interesse an dem MZ-Bericht darüber. Über 20.400 Leser fand der Artikel.

QUERBLICK

+++Eine uneingeschränkte Teilhabe in der Gesellschaft stellt für Menschen mit dem Down-Syndrom auch heute noch häufig eine große Herausforderung dar. So werden sie etwa vom Schwimmunterricht oft ausgeschlossen, wenn es an der nötigen Betreuung fehlt. In Dessau können nun Kinder mit Behinderung das Schwimmen erlernen, berichtet der MDR von einem besonderen Projekt.

+++Steht die letzte Aufnahme bevor? Mit der ORWO Net GmbH hat eines der größten Fotolabore Europas in dieser Woche Insolvenz angemeldet. „Was wird nun aus der legendären DDR-Fotomarke?“, fragt die Wirtschaftswoche. Die Antwort steht noch aus. Auch MZ-Reporter Steffen Höhne hat über den überraschenden Insolvenzantrag berichtet.

MZ-FOTO DER WOCHE

Das Schutznetz verdeckt noch die Sicht: Doch die Vorhangfasssade am Kaufhaus Zeeck ist gefallen. Das Haus wird "schick" gemacht für das Jubiläum "100 Jahre Bauhaus in Dessau".
Das Schutznetz verdeckt noch die Sicht: Doch die Vorhangfasssade am Kaufhaus Zeeck ist gefallen. Das Haus wird "schick" gemacht für das Jubiläum "100 Jahre Bauhaus in Dessau".
Foto: Lisa Zuber

Wer Anregungen oder Hinweise hat, her damit: [email protected]