Zoo Leipzig Zoo Leipzig: Tropen an der Pleiße
Halle (Saale)/MZ. - Ein geheimnisvoller Höhleneingang. Rot schimmerndes Licht. Wer hineingeht, ist plötzlich von Lavaströmen umgeben. Der weiche Untergrund wirft Blasen, doch keine Angst: Niemand verbrennt sich am flüssigen Gestein, denn es ist nur eine Lichtinstallation. Folgen wir dem künstlichen Strom in einen dämmrigen Stollen, der anmutet wie eine Film-Kulisse aus "Indiana Jones".
In der "Kulisse" ist es sehr lebendig, denn sie ist Teil der neuesten Attraktion des Leipziger Zoos. Hier erlebt der Besucher eine Reise auf einen längst untergegangenen Kontinent. Geht er durch den Stollen, begegnet er lebenden Fossilien. Dem Knochenhecht beispielsweise, oder dem Lungenfisch, der durch Lungen atmet, Trockenzeiten in einem schleimigen Kokon überlebt und heute noch so vorkommt wie vor Millionen Jahren. In Asien, Südamerika und Afrika. Ein Hinweis, dass die Kontinente einst zusammengehörten und den so genannten Urkontinent bildeten: Gondwanaland. Genauso heißt sie, die neue Tropenhalle, die in einer Woche öffnet.
Allein über die Lungenfische könnte Sandra Langguth, Tierärztin im Zoo und zugleich Kuratorin der Halle, noch stundenlang erzählen. Der Besucher kann jedoch auch die verrosteten Karren und das alte Bergwerksgerät im Stollen näher untersuchen. Er wird interaktive Stationen finden, die ihm jede Menge spannender Einzelheiten nicht nur über die Lungenfische, sondern auch über noch weitere lebende Fossilien und über die heutigen Bewohner der Kontinente vermitteln.
Vorbei geht es an Sonnenbarschen, Schildkröten und Perlsteißhühnern, eine der ältesten Hühnerarten der Erde, bevor es wieder dämmrig wird. Ein dumpfes Erdbebengrollen, ein Seismograph in einer Ecke, der eine rasante Fieberkurve aus Erderschütterungen aufzeichnet und bei Berührung sein Wissen über die Entstehung der Kontinente preisgibt. Im Dämmerlicht huschen nachtaktive, vierbeinige Gestalten durch ihre Gehege: Quolle, auch Tüpfelbeutelmarder genannt. Der Quoll schnüffelt an der Scheibe, wenn Sandra Langguth die Hand dagegen hält, auch wenn er gar nichts riechen kann. Gerade erst aus Australien gelandet, ist bei ihm von Jetlag nichts zu spüren. Kein Wunder, denn jetzt fühlt er durch das diffuse Licht Mitternacht - wie gerade zu Hause, obwohl in Leipzig Mittagsstunde herrscht. Ist es dunkel und kein Besucher lässt sich sehen, strahlen im Stollen helle Lampen und gaukeln einen sonnigen Tag vor.
Es folgen die Unterkünfte der Plumploris und natürlich ist hier auch die berühmte Heidi zu Hause. Das schielende Opossum nennt Zoodirektor Jörg Junhold schon mal die Botschafterin von Gondwanaland. Sie hat vor gut einer Woche in der Tropenhalle Quartier bezogen. Gemeinsam mit ihrem neuen Partner Teddy übrigens, und auch wenn sich Dame Heidi schon dem Rentenalter nähert, haben die Leipziger Tierzüchter die Hoffnung auf Nachwuchs.
Wasserrauschen ist zu hören, es wird hell. Ein paar Schritte noch, dann steht der Besucher mitten auf dem so genannten Dorfplatz von Gondwanaland. In einer riesigen Halle, in tropenwarmer, feuchter Luft, umgeben von Grün, das durchaus ein wenig echtes Dschungelfieber aufkommen lässt. Verweilen ließe es sich hier, um die unbekannte Welt erst einmal auf sich wirken zu lassen. Terrassen erlauben weite Blicke in die Tiefen der Halle, werden sicher schon bald zu beliebten Picknickplätzen. Boote ziehen vorüber wie aus einem südamerikanischen Abenteuerroman: mit rostigen Wellblechdächern, alten Kanistern und sonstiger durchaus echt wirkender Dekoration aufgepeppt. Mit ihnen ist eine Erkundungstour auf dem Wasserweg möglich. Übrigens: Selbst das Warten bis zur Abfahrt wird zur abwechslungsreichen Angelegenheit, denn über den Köpfen der Besucher verrichten in langen Plexiglasröhren Blattschneiderameisen ihre emsige Tätigkeit.#video
Und wer gleich per pedes los will, kann auch das: durch Hohlwege, auf versteckten Dschungelpfaden, in dichten Bambushainen, über schwankende Hängebrücken, hinter Wasserfällen entlang zu verschwiegenen Flecken und Ecken bis hinauf in die Baumwipfel. Unterwegs wird er schauen und suchen, beobachten und staunen und sich einfach nicht satt sehen können. Was schon vor Wochen in der Halle angepflanzt wurde, wuchert und blüht, als seien die Tropen hier ganz selbstverständlich.
Und zwischendrin all die Tiere. Oftmals Raritäten, die außerhalb der freien Wildbahn nur hier in Leipzig zu sehen sind. Komodowarane zum Beispiel oder auch die Gaviale, eine Krokodilart. Zu ihnen gesellen sich Tapire, das Zwergflusspferd (das auch beim Schwimmen unter Wasser beobachtet werden kann), Ameisenbären, Faultiere, Ozelot und Serval, zahlreiche Affen und Vögel. Ein großzügiges Domizil mit glasklarem Wasser beziehen die Riesenotter, an denen die Boote der Rundfahrt fast hautnah vorbeiziehen.
"Für mich geht mit Gondwanaland ein Traum in Erfüllung, ich freue mich riesig", sagt Zoodirektor Junhold. Schützenswerte Tiere so wie hier präsentieren zu können - das ist für ihn der Idealfall. "Zoos sind Freizeiteinrichtungen, die gleichzeitig dem Artenschutz, der Bildung und der Wissenschaft dienen", erklärt er und lässt wissen, dass das in den letzten zehn bis zwanzig Jahren immer wichtiger geworden ist. "35 Millionen Besucher haben die deutschen Zoos jährlich, vergleichen Sie das mit der Bundesliga", macht er die Verantwortung der Tierparks deutlich. Beim Fußball wurden letzte Saison 13 Millionen Fans gezählt.
Sandra Langguth ist der Stolz anzumerken, mit dem sie den Artenreichtum präsentiert wie seltene Diamanten. Die Totenkopfäffchen turnen schon in den Baumkronen ihrer Insel - wohl hellauf begeistert, würden menschliche Maßstäbe angelegt. "Denen macht das richtig Freude", kommentiert die 37-Jährige die wilden Sprünge der zierlichen Kletterer, die oft nur durch das heftige Wedeln der Blätter auszumachen sind.
10.000 bis 15.000 Besucher erwartet der Zoo in den kommenden Wochen täglich, die Tropenhalle wird ihre Anziehungskraft ausspielen. Die Betreuungsmannschaft ist gespannt, wie Tiere und Besucher aufeinander reagieren. "Alle Tiere haben Rückzugsräume", sagt Sandra Langguth, "wird es ihnen zu viel, können sie ausweichen." Den Besuchern wird es nicht zu viel, das vorauszusagen braucht keine prophetische Gabe. Sie werden sie genießen mit allen Sinnen - die Tropen an der Pleiße.