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Urteil zum Prämiensparen Zinsanpassung bestätigt: Saalesparkasse gewinnt in Karlsruhe und muss doch zahlen

Vor 20 Jahren entschied der Bundesgerichtshof, dass Kunden mit Prämiensparverträgen wegen unwirksamer Klauseln teils nachträglich Geld zusteht. Erst jetzt wird klar, wie viel.

09.07.2024, 18:02
Vor allem die Sparkassen lockten die Kunden in den 1990er Jahren mit attraktiv verzinsten Prämiensparverträgen.
Vor allem die Sparkassen lockten die Kunden in den 1990er Jahren mit attraktiv verzinsten Prämiensparverträgen. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Karlsruhe/DPA/MZ/STH. - Seit Jahren streiten Verbraucherschützer mit Sparkassen und Volksbanken vor Gericht über Nachzahlungen wegen unwirksamer Zinsklauseln bei Prämiensparverträgen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun in einem Urteil am Dienstag erstmals einen Referenzzins für die Nachberechnung der Zinsen bestätigt. Konkret ging es um zwei Klagen der Verbraucherzentrale gegen die Saalesparkasse und die Ostsächsische Sparkasse Dresden, die eine Zinsberechnung auf Grundlage der Umlaufrendite börsennotierter Bundesanleihen mit acht bis 15 Jahren Restlaufzeit festgelegt hatten. Der Referenzzinssatz habe der Überprüfung des BGH standgehalten, so der Senat.

Bei Prämiensparverträgen erhalten Sparer zusätzlich zum variablen Zins eine meist nach Vertragslaufzeit gestaffelte Prämie. Je länger regelmäßige Sparbeiträge eingehen, umso höher fällt die Prämie aus. Solche Sparverträge wurden in den 1990er und Anfang der 2000er Jahre vertrieben – vor allem von Sparkassen („Vorsorgesparen“, „Vermögensplan“), aber auch von Volks- und Raiffeisenbanken („Bonusplan“, „VRZukunft“).

Höhe der Zinsen war lange nicht geklärt

Viele dieser Verträge enthalten dabei Klauseln, die Geldhäusern einseitig das Recht einräumen, die zugesicherte Verzinsung nach Belieben zu ändern. Die Bank konnte den Zins so zum eigenen Vorteil anpassen, also verringern. Der BGH erklärte das bereits vor 20 Jahren für rechtswidrig. Wie die Zinsen für diese Produkte stattdessen zu berechnen sind, war bisher aber nicht höchstrichterlich geklärt.

Das wollten die Verbraucherzentralen ändern. Da der von den Oberlandesgerichten festgelegte Referenzzinssatz ihnen nicht ausreichte, legten sie gegen die entsprechenden Entscheidungen Revision ein. Sie wollten vom BGH stattdessen feststellen lassen, dass die Zinsen auf Basis der letzten zehn Jahre von Umlaufrenditen inländischer Hypothekenpfandbriefe mit einer garantierten Restlaufzeit von zehn Jahren berechnet werden. Sie forderten zudem gleitende Durchschnittswerte. Der BGH lehnte dies wie schon die Vorinstanzen ab.

Saalesparkasse begrüßt Rechtssicherheit

Der Elfte Zivilsenat in Karlsruhe fand keinen Grund, den von den Oberlandesgerichten herangezogenen Referenzzinssatz zu beanstanden. Die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere mit acht bis 15 Jahren Restlaufzeit als Grundlage entspreche den Anforderungen an Referenzzinssätze, erklärte der Vorsitzende Richter, Jürgen Ellenberger. Der Zinssatz begünstige weder Sparer noch die beklagten Sparkassen. Er spiegele zudem die jeweils aktuellen Zinsen am risikolosen Kapitalmarkt wider.

„Es ist gut und wichtig, dass nach langen juristischen Auseinandersetzungen nun Rechtssicherheit bei Kunden und uns Sparkassen besteht“, wertet Saalesparkasse-Vorstandsmitglied Christian Rothe das Urteil des BGH. Damit sei die Verbraucherzentrale Bundesverband mit der Durchsetzung unrealistischen Forderungen gescheitert.

Verbraucherschützer halten Urteil auf andere Institute für übertragbar

Trotz der zurückgewiesenen Revision zeigten sich auch die Verbraucherverbände nach dem Urteil positiv gestimmt. Es sei ein guter Tag für geprellte Prämiensparer, kommentierte die Vorständin des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, Ramona Pop. „Der Bundesgerichtshof hat einen Maßstab festgelegt, wie Sparkassen falsch berechnete Verträge neu berechnen müssen.“ Nun müssten die Sparkassen tätig werden und Entschädigungen in die Wege leiten.

Bindend ist das Urteil im juristischen Sinn nur für die beiden beklagten Sparkassen. Da es sich aber um Standardprodukte der Sparkassen handelt, könnten die Festlegungen des Gerichts aus Sicht der Verbraucherzentrale inhaltlich auch für Prämiensparverträge anderer Sparkassen gelten. Der Bundesgerichtshof ließ offen, ob auch andere Referenzzinssätze für die Zinsanpassungen infrage kämen. „Sparkassen müssten nicht zwingend reagieren, sondern könnten auf Individualklagen warten“, sagt der Referatsleiter Recht bei der Verbraucherzentrale Sachsen, Michael Hummel. „Ich halte es jedoch für wenig wahrscheinlich, dass die Institute das aussitzen, denn es stehen schon diverse Rechtsdienstleister in den Startlöchern, um die Ansprüche der Verbraucher durchzusetzen.“

Tausende Euro zu wenig erhalten

Anhand der Prüfung tausender Verträge kamen Verbraucherzentralen zu dem Ergebnis, dass Sparer im Schnitt etwa 4.000 Euro zu wenig an Zinsen erhalten haben.

„Der aktuelle Richterspruch betrifft in der Saalesparkasse ausschließlich Kunden mit Prämiensparverträgen ohne Zinsanpassungsklausel, die sich in das Klageregister der Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale eingetragen hatten“, teilte das Institut mit. Handlungsbedarf bestehe für diese jedoch nicht. Die Saalesparkasse wird nach eigenen Angaben auf die anspruchsberechtigten Kunden zeitnah und aktiv zukommen.

Im Jahr 2021 gab es 1,1 Millionen Prämiensparverträge in Deutschland, aktuellere Zahlen liegen der Finanzaufsicht Bafin nicht vor. Seither dürfte die Zahl deutlich gesunken sein, weil Institute – soweit rechtlich möglich – teilweise ganze Vertragsjahrgänge kündigten. Bei laufenden Verträgen fließen Zinsnachzahlungen nicht automatisch.