Immer weniger Inlandsflüge „Prag ist attraktiver“: Lufthansa-Chef Spohr erklärt teilweisen Rückzug aus Leipzig/Halle
Laut Lufthansa-Chef Carsten Spohr belasten steigende Abgaben den deutschen Flugverkehr immens. Wie das Angebot in Mitteldeutschland steigen könnte und welche Strecke zurückkommt.
Dresden/MZ. - Die Abflugtafel am Flughafen Dresden ist nur zur Hälfte gefüllt. 18 Starts sind für Donnerstag verzeichnet. Die Check-in-Terminals der Lufthansa sind bereits am späten Nachmittag leer. Kaffee gibt es nur noch aus dem Automaten. Das Bild, das sich dem Gast bietet, ist eher trostlos.
Dabei ist die pfeilerlose Flughafenhalle im Industriestil, in der einst Turbinen gefertigt werden, ein architektonischer Hingucker. „Das Fliegen hat sich durch die Pandemie sehr verändert“, sagt Götz Ahmelmann, Chef der Mitteldeutschen Flughafen AG, zu der die Airports Leipzig/Halle und Dresden gehören.
Lufthansa zieht sich teilweise aus Mitteldeutschland zurück
Die mitteldeutschen Flughäfen würden stark unter dem Einbruch des innerdeutschen Flugverkehrs leiden. „In Dresden haben wir so 500.000 Fluggäste im Jahr verloren“, sagt er der MZ.
Der Flughafen-Chef und der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatten daher am Mittwochabend den Vorstandschef der Deutschen Lufthansa, Carsten Spohr, eingeladen, um mit ihm über die Situation und Verbesserungsmöglichkeiten zu sprechen. 400 Gäste waren zum Dialogabend gekommen.
Höhere Gebühren belasten den deutschen Flugverkehr
Spohr nahm in seinem Vortrag kein Blatt vor den Mund: „Der innerdeutsche Flugverkehr abseits der Drehkreuze Frankfurt und München hat sich nach der Pandemie nicht erholt.“ Die Zahl der Flüge habe sich um 75 Prozent reduziert.
So verlor Leipzig/Halle Verbindungen nach Stuttgart und Köln/Bonn. Im Sommerflugplan ist auch München aus dem Programm geflogen. Sie soll aber wiederkommen.
Spohr nennt eine Reihe von Gründen für die Situation: „Vor allem die Zahl der Geschäftsreisenden ist deutlich gesunken.“ Gleichzeitig seien die Kosten gestiegen.
Aufgrund von Steuern und Gebühren würde der Start eines Lufthansa-Airbus am Flughafen Dresden inzwischen 4.500 Euro kosten, so der Lufthansa-Chef. Im benachbarten Prag seien es dagegen nur 500 Euro. „Allein dadurch ist es für die Lufthansa attraktiver, von Prag zu starten“, so Spohr.
Vergleich: Prag versus Leipzig/Halle
Die staatlichen Standortkosten in Deutschland haben sich den Angaben zufolge seit 2020 verdoppelt. Die Standortkosten setzen sich aus drei wesentlichen Faktoren zusammen: nationale Luftverkehrssteuer, Luftsicherheitsgebühren (Sicherheitskontrolle am Flughafen) und Flugsicherungsgebühren.
Die Lufthansa-Tochter Eurowings hat daher laut Spohr ihr Flugnetz stark verändert: „Wir fliegen heute vor allem europäisch und nicht mehr innerdeutsch.“ Noch deutlicher wird das bei den Billigflugairlines Ryanair und Easyjet, die ihr Angebot hierzulande radikal reduzieren. In Mitteldeutschland bietet nur noch Ryanair Flüge nach London an.
Spohr veranschaulicht das mit folgenden Worten: „Um eine neue Verbindung aufzunehmen, muss sie besser sein, als die schlechteste am aktuellen Flugnetz.“ Durch die erneute Anhebung der Luftverkehrssteuer am 1. Mai 2024 habe der Standort Deutschland weiter an Attraktivität verloren. Das sei politisch offenbar auch so gewollt.
Mit Blick auf Mitteldeutschland erklärte der Konzern-Boss allerdings auch, dass zwei Flughäfen in einem Bundesland zu viel seien. „Wir müssen das Angebot immer aufteilen“, so Spohr. Der sächsische Regierungschef Kretschmer machte jedoch klar, dass der Freistaat „zu den Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden steht.“
Die Zukunft der Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden
Der Freistaat und das Land Sachsen-Anhalt müssen als Anteilseigner den Airports frisches Geld in Höhe von etwa 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen. „Dass wir uns in einer schwierigen Situation engagieren, ist selbstverständlich“, führt Kretschmer aus.
Gemessen an Ausgaben für den Straßenbau seien die Beträge nicht so hoch. Aufgrund fehlender Passagiere muss die Mitteldeutsche Flughafen AG bis 2026 ein Finanzloch von etwa 140 Millionen Euro schließen. Durch ein Restrukturierungsprogramm sollen die Airports wieder profitabel werden.
Neue Chancen und mögliche Lösungen für Mitteldeutschland
Doch woher sollen nun neue Flugverbindungen kommen? In Dresden siedelt sich derzeit der taiwanesische Chipkonzern TSMC an. Vor allem die Mikroelektronikbranche mit dem Netzwerk „Silicon Saxony“ macht Druck, dass sich die Flugsituation deutlich verbessert. Spohr hält das auch für möglich: „Wir sind offen, zusammen etwas zu entwickeln.“
So gebe es Möglichkeiten, durch Incentives vom Airport und der Wirtschaft Verbindungen aufzubauen. Spohr meint damit Förderungen. Der Lufthansa-Chef machte aber auch klar, dass am Ende vor allem die Nachfrage der Passagiere über den dauerhaften Erhalt von Linien entscheide.