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Investition in Sachsen-Anhalt Rohstoff für E-Autos: Erste europäische Lithium-Raffinerie in Bitterfeld-Wolfen startet

Die Firma AMG hat in Bitterfeld-Wolfen die erste europäische Lithium-Raffinerie errichtet. Wie Unternehmerlegende Heinz Schimmelbusch die Abhängigkeit von China verringern will.

Von Steffen Höhne Aktualisiert: 18.09.2024, 17:19
In den vergangenen zwei Jahren wurde die Lithium-Raffinerie gebaut. Dafür wurden 140 Millionen Euro investiert.
In den vergangenen zwei Jahren wurde die Lithium-Raffinerie gebaut. Dafür wurden 140 Millionen Euro investiert. Foto: AMG

Bitterfeld-Wolfen/MZ. - Die deutsche Autoproduktion soll bis Mitte der 2030er Jahre auf Elektromobilität umgestellt werden. Doch bisher kommen die dafür notwendigen Batterien und wichtige Rohstoffe vor allem aus China. In Bitterfeld-Wolfen (Kreis Anhalt-Bitterfeld) hat das Unternehmen AMG am Mittwoch nach eigener Einschätzung einen Schritt getan, damit sich das ändert. „Wir nehmen die erste Lithiumhydroxid-Raffinerie in Europa in Betrieb“, sagte Unternehmenschef Heinz Schimmelbusch zum Produktionsstart. Das Werk wurde in den vergangenen zwei Jahren errichtet. Etwa 140 Millionen Euro wurden investiert und 80 Arbeitsplätze geschaffen. Fünf Millionen Euro Fördermittel kamen vom Land.

AMG ist eines der wenigen europäischen Unternehmen, das Lithium-Bergbau betreibt. Seit 2017 fördert die Firma in der brasilianischen Mine Mibra, etwa 225 Kilometer nordwestlich von Rio de Janeiro, das Leichtmetall. Lithium-Ionen-Batterien eignen sich wegen ihres geringen Gewichts und hohen Ladewirkungsgrads bestens als Stromspeicher.

Manager führte deutschen Konzern

Bisher wird das vom AMG geförderte Lithium in China komplett verarbeitet. Das soll sich laut Schimmelbusch ändern: „Wir bauen eine eigene Wertschöpfungskette auf.“ Die notwendige Erfahrung besitzt er: Der 80-jährige Manager leitete einst den deutschen Rohstoffkonzern Metallgesellschaft (MG) mit mehr als 58.000 Mitarbeitern. Durch eine hohe Fremdfinanzierung brach das Unternehmen Anfang der 90er Jahre jedoch zusammen.

Schimmelbusch startete danach in den USA eine zweite Karriere. Er ist eine Unternehmerlegende – wenn auch nicht unumstritten. Als Lehre aus der MG-Pleite achtet er nun offenbar streng darauf, dass alle seine Firmen profitabel arbeiten. Ihm zufolge wurde die Investition im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen aus Gewinnen der AMG finanziert.

 Stefan Scherer (l-r), Geschäftsführer AMG Lithium GmbH, Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, und Heinz Schimmelbusch, Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer AMG, nehmen  Europas erste Lithiumhydroxid-Raffinerie symbolisch in Betrieb.
Stefan Scherer (l-r), Geschäftsführer AMG Lithium GmbH, Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, und Heinz Schimmelbusch, Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer AMG, nehmen Europas erste Lithiumhydroxid-Raffinerie symbolisch in Betrieb.
Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Im Jahr 2008 baute das Unternehmen Puralube, das zu Schimmelbuschs Firmenverbund gehörte, bereits eine Altöl-Raffinerie in Zeitz (Burgenlandkreis) auf. Der Standort wurde seither mehrmals erweitert. „In Sachsen-Anhalt sind Investoren willkommen“, sagte Schimmelbusch. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der die Ansiedlung von Puralube damals als Wirtschaftsminister begleitete, lobte den Raffinerie-Aufbau: „Das ist ein Beitrag zur Energiewende und gleichzeitig wird der Industriestandort Sachsen-Anhalt gestärkt.“

In dem neuen Werk sollen in der ersten Ausbaustufe jährlich 20.000 Tonnen Lithiumhydroxid produziert werden. „Das reicht für Batterien von rund 500.000 Elektrofahrzeugen“, veranschaulichte Stefan Scherer, Geschäftsführer AMG Lithium, die Dimension. Lithiumhydroxid ist ein wichtiger Rohstoff zur Herstellung von Kathodenmaterial für Batterien.

In dem Werk wurden zunächst 80 Arbeitsplätze geschaffen. Ein weiterer Ausbau ist geplant.
In dem Werk wurden zunächst 80 Arbeitsplätze geschaffen. Ein weiterer Ausbau ist geplant.
Thomas Schmidt

Laut Scherer sitzen die Verarbeiter vor allem in Ungarn und Polen. Dort haben chinesische und koreanische Unternehmen Fabriken aufgebaut oder sind dabei. Dem Manager zufolge seien bereits viele Kundengespräche geführt und 15.000 Tonnen verkauft worden. Das Unternehmen muss jedoch noch den Beweis antreten, dass es die gewünschten Mengen in der erwarteten Qualität produzieren kann.

Absatzprobleme erwartet Scherer nicht: Der europäische Markt für Lithiumhydroxid soll bis 2026 auf 100.000 Tonnen wachsen. Eine starke Nachfrage nach Batteriezellen wird neben der Auto-Industrie auch von Herstellern stationärer Stromspeicher erwartet. Durch die eigenen Minen hat AMG offenbar eine gute Kostenstruktur in der Produktion.

Minen auch im Erzgebirge geplant

Laut Schimmelbusch ist AMG auch an der Lithiumsuche im Erzgebirge und in Portugal beteiligt. In Brasilien soll zudem für 300 Millionen Euro ein sogenannter Lithium-Konverter gebaut werden. Damit könnte AMG einen großen Teil der Lithium-Wertschöpfungskette abdecken.

Aktuell wird das in Brasilien abgebaute Lithium in China aufbereitet, bevor es nun in Bitterfeld-Wolfen weiterverarbeitet wird. „Unser Ziel ist es, eine brasilianisch-europäische Autobahn in der Lithium-Produktion aufzubauen“, so Schimmelbusch. Das sei auch ein wichtiger Beitrag zum europäischen Vorhaben, sich kritische Rohstoffe zu sichern. Platz für einen weiteren Ausbau in Bitterfeld-Wolfen hat sich AMG bereits gesichert. Das Werk ist modular aufgebaut und kann in der Endausbaustufe eine Produktion von 100.000 Tonnen im Jahr erreichen.