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Insolvenzen in Sachsen-Anhalt Pleitewelle: Diese namhaften Unternehmen sind seit Anfang 2025 in Schieflage geraten

Die Zahl der Insolvenzen steigt seit Ende 2024 immer weiter an. Es trifft in Sachsen-Anhalt viele namhafte Unternehmen in allen Branchen. Ein Überblick.

Von Steffen Höhne Aktualisiert: 13.03.2025, 11:34
Viele Traditionsunternehmen aus Sachsen-Anhalt haben finanzielle Probleme. Die Firmen kommen aus allen Branchen.
Viele Traditionsunternehmen aus Sachsen-Anhalt haben finanzielle Probleme. Die Firmen kommen aus allen Branchen. Foto: IMAGO/Herrmann Agenturfotografie

Halle/MZ/VS. - Die Insolvenzwelle in Deutschland hält an: Im Februar gingen 1.436 Unternehmen pleite. Das waren sieben Prozent mehr als im Januar und 20 Prozent mehr als im Februar 2024. Das ist das Ergebnis des Insolvenztrends des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). In Sachsen-Anhalt summiert sich die Zahl der Firmenpleiten seit Jahresanfang auf 40, im Vorjahreszeitraum waren es nur 22. Es trifft auch namhafte Firmen, die seit Jahrzehnten am Markt etabliert sind. Viele Arbeitsplätze sind gefährdet. Was sind die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede, die zur finanziellen Schieflage führten? Hier eine Übersicht:

Von der Insolvenz des Autozulieferers Boryszew Kunststofftechnik in Gardelegen sind 384 Mitarbeiter betroffen.
Von der Insolvenz des Autozulieferers Boryszew Kunststofftechnik in Gardelegen sind 384 Mitarbeiter betroffen.
Stefanie Herrmann

Boryszew Kunststofftechnik Deutschland GmbH, Gardelegen (Altmarkkreis Salzwedel), 03. März 2025:

Das Unternehmen produziert sogenannte Spritzgussteile aus Kunststoff, die als Lüftungsgitter und Griffe in Autoinnenräumen eingesetzt werden. Einer der Großkunden ist VW, doch die Nachfrage ging in den vergangenen Jahren deutlich zurück. Laut Firmenführung sank der Umsatz seit 2021 von knapp 69 auf zuletzt 53 Millionen Euro und „es wurden in der Vergangenheit kontinuierlich Verluste verzeichnet“. Jetzt zog der polnische Mutterkonzern die Reißleine. Betroffen sind 384 Mitarbeiter in dem Werk. Andere Kunststofffirmen in der Region haben aber bereits Interesse an einer Übernahme von Mitarbeitern signalisiert.

Bäckerei-Inhaber Lutz Pfeiffer führt einen Betrieb mit  elf Filialen.
Bäckerei-Inhaber Lutz Pfeiffer führt einen Betrieb mit elf Filialen.
Foto: Vivian Hömke

Konditorei und Bäckerei Pfeiffer GmbH, Haldensleben, Börde, 26. Februar 2025:

Die Bäckereikette aus Haldensleben will sich in einer Eigenverwaltung selbst sanieren. Ende Februar wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Laut Inhaber Lutz Pfeiffer wurden vor allem die steigenden Kosten für Rohstoffe, Energie und Personal dem Unternehmen mit elf Filialen zum Verhängnis. Entlassungen und Schließungen sind nicht geplant. Doch die Bäckerei will ihr Angebot reduzieren und frei werdende Stellen nicht besetzen.

Einst lieferte das Genthiner Unternehmen SeBa Raufutter Deutschlandweit und International Heu, jetzt ist die Firma insolvent.
Einst lieferte das Genthiner Unternehmen SeBa Raufutter Deutschlandweit und International Heu, jetzt ist die Firma insolvent.
Foto: Lisa Ducret/dpa

SeBa Raufutter GmbH, Genthin (Jerichower Land), 17. Februar 2025:

Das 2010 von Mario Köpke und drei weiteren Landwirten gegründete Unternehmen SeBa Raufutter war lange Zeit ein Aushängeschild bei der Futterheuherstellung in Sachsen-Anhalt. Die Besonderheit war, dass große Heu- und Strohballen in kleine, handliche Ballen für den Endverbraucher verpackt wurden. Unter anderem wurden die Hochleistungspferde von Scheichs in den Vereinigten Arabischen Emiraten aus Genthin versorgt. Auch in Baumärkten sind die Produkte erhältlich. Gründe für die Insolvenz hat das Unternehmen bisher nicht mitgeteilt.

Im Bodelschwingh-Haus werden Behinderte betreut.
Im Bodelschwingh-Haus werden Behinderte betreut.
Foto: Gudrun Billowie

Bodelschwingh-Haus Wolmirstedt Behindertenhilfe gemeinnützige GmbH, Wolmirstedt (Börde), 28. Januar 2025:

Der 2007 gegründete Träger betreibt in Wolmirstedt eine Einrichtung für die Betreuung behinderter Menschen – unter anderem mit Werkstätten. Derzeit werden mehr als 400 Menschen von den knapp 160 Mitarbeitern betreut. Für die finanzielle Schieflage machte das Unternehmen das Land Sachsen-Anhalt verantwortlich. Während vor allem die Personalkosten weiter steigen, zahlt das Land aufgrund eines fehlenden Rahmenvertrages nicht mehr Geld als im vergangenen Jahr. Auch andere soziale Träger warnen davor, dass die Mittel nicht mehr ausreichen. Das Sozialministerium hat gefährdeten Firmen angeboten, über die Sozialagentur Hilfe zu bekommen.

Das Kinikum der Pfeiffersche Stiftungen in Magdeburg ist eines der größen in Sachsen-Anhalt.
Das Kinikum der Pfeiffersche Stiftungen in Magdeburg ist eines der größen in Sachsen-Anhalt.
Foto: Uli Lücke

Klinikum in den Pfeifferschen Stiftungen GmbH, Magdeburg, 20. Januar 2025:

Seit Monaten hatte die Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt vor Insolvenzen von Kliniken gewarnt. Im Januar geriet dann ein großer Klinikbetreiber in Schieflage: Die Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg mit mehreren Kliniken beantragten ein Schutzschirmverfahren. Das heißt, trotz Insolvenz lenkt die Geschäftsführung weiter den Firmenverbund mit etwa 2.000 Mitarbeitern. Der Grund für die Insolvenz: Durch die Inflation sind die Sach- und Personalkosten deutlich gestiegen, gleichzeitig geht die Zahl der Patienten zurück. In der Sanierung soll nun nach Investoren und Kooperationspartnern gesucht werden. Zudem wird geprüft, welche medizinischen Leistungen künftig noch angeboten werden.

Auch der Ratskeller in Sangerhausen ist geschlossen.
Auch der Ratskeller in Sangerhausen ist geschlossen.
Foto: Maik Schumann

Schacht und Rosen Gastronomie GmbH, Sangerhausen (Mansfeld-Südharz), 13. Januar 2025:

Das Unternehmen, das die gastronomischen Einrichtungen im Sangerhäuser Europa-Rosarium, im Schaubergwerk Wettelrode sowie den Sangerhäuser Ratskeller betrieb, hat seinen Geschäftsbetrieb zu Jahresbeginn eingestellt. „Es konnte kein Übernehmer gefunden werden, der den Geschäftsbetrieb fortführt“, sagte Insolvenzverwalter André Rombach. Jetzt werden neue Betreiber für die Objekte gesucht.

Trotz blauen Himmels sind dunkle Wolken aufgezogen über der Villa Heine
Trotz blauen Himmels sind dunkle Wolken aufgezogen über der Villa Heine
Foto: Thomas Kügler

Forum Hotel Villa Heine GmbH, Halberstadt (Harz), 3. Januar 2025:

Mit vier Sternen zählt das Hotel „Villa Heine“ zu den Top-Adressen im Harzvorland. Doch der prunkvollen Villa, die 1918 vom Fabrikanten Friedrich Heine gebaut wurde, fehlten in der Corona-Pandemie die Gäste. Das Unternehmen konnte sich mit staatlichen Hilfen über Wasser halten, doch diese müssen nun teilweise zurückgezahlt werden. Hinzu kommen Kostensteigerungen durch Energie. Der Hotelbetrieb läuft aktuell weiter. Doch ob alle 26 Beschäftigten an Bord bleiben können, ist offen. Die Geschäftsführung plant für das Wellnesshotel eine Umstrukturierung.

Der Produktionsbetrieb der Halberstädter Würstchen ist erneut insolvent. Die Traditionsfirma exsitiert seit mehr als 140 Jahren.
Der Produktionsbetrieb der Halberstädter Würstchen ist erneut insolvent. Die Traditionsfirma exsitiert seit mehr als 140 Jahren.
Foto: Matthias Bein/dpa

Halberstädter Würstchen- und Konservenvertriebs GmbH, Halberstadt (Harz), 30. Dezember 2024:

Bei der Sanierung des Traditionsunternehmens Halberstädter Würstchen gibt es einen Rückschlag: Ende Dezember hat die Tochter „Halberstädter Konserven GmbH“ mit 30 Mitarbeitern eine Insolvenz in Eigenverwaltung eröffnet. Ein Jahr zuvor war der Produktionsbetrieb, damals noch unter einem anderen Namen, bereits insolvent. Was ist passiert? Laut Unternehmen sind die Kunden bei den Einkäufen weiter zurückhaltend. Die angestrebten Umsätze wurden nicht erreicht. Nun soll der Sanierungsfahrplan überarbeitet werden. Laut Verfahrensbevollmächtigtem Nico Kämpfert hat das gesamte Unternehmen mit 160 Mitarbeitern eine positive Fortführungsprognose. Vor allem mit neuen Produkten, deren Einführung sich 2024 verzögert hatte, sollen zusätzliche Umsätze erzielt werden. Die Eigentümerfamilie um Geschäftsführerin Silke Erdmann-Nitsch führt das Unternehmen bisher fort.

Aktuell Bau in Magdeburg hat vor allem Einfamilienhäuser errichtet.
Aktuell Bau in Magdeburg hat vor allem Einfamilienhäuser errichtet.
Foto: Robert Gruhne

Aktuell Bau GmbH, Magdeburg, 13. Dezember 2024:

Die Pleite von Aktuell Bau hat massive Folgen für die Bauherren, die von der Firma ihr Eigenheim bauen lassen wollten. Das Unternehmen, das auf Einfamilienhäusern spezialisiert ist, hat 20 bis 25 Vorhaben in verschiedenen Stadien. Diese werden nicht fortgeführt. Aktuell Bau hatte mit Kunden Festpreise vereinbart, aufgrund gestiegener Materialpreise arbeitete die Firma defizitär.