Boryszew Kunststofftechnik GmbH Großer Autozulieferer insolvent: 500 Mitarbeiter in Gardelegen trifft es unvorbereitet
Der Autozulieferer Boryszew Kunststofftechnik aus Gardelegen liefert Kunststoffteile für Autoinnenräume an große Auto-Hersteller wie VW und ist insolvent. Der Betriebsrat nennt erste Gründe.

Gardelegen/MZ. - Einer der größten Automobilzulieferer Sachsen-Anhalts, die Boryszew Kunststofftechnik Deutschland GmbH aus Gardelegen, ist insolvent. „Es herrscht große Unsicherheit in der Belegschaft, ob und wie es weitergeht“, sagt Franz Braun, Gewerkschaftssekretär der IG BCE Halle-Magdeburg.
Insolvenz bei Autozulieferer Boryszew in Gardelegen: Rund 500 Mitarbeiter betroffen
Etwa 500 Mitarbeiter arbeiten in dem Unternehmen, das Spritzgussteile aus Kunststoff herstellt. Diese werden unter anderem als Lüftungsgitter und Griffe in Autoinnenräumen eingesetzt. Zu den Großkunden des Werks in der Altmark zählt VW.
Als einen Grund für die Insolvenz nennen Betriebsrat und Gewerkschaft einen Auftragsrückgang und steigende Kosten, etwa für Rohstoffe und Energie. Gewerkschafter Braun macht aber auch die Firmenführung für die wirtschaftliche Schieflage verantwortlich. „Seit Jahren wurde in den Standort zu wenig investiert, keine Kunden abseits der Automobilbranche gesucht.“ Die Unternehmensführung äußerte sich auf Anfrage am Dienstag nicht.
Das Werk gehört seit 2011 dem polnischen Industrie-Konzern Boryszew, der weltweit 34 Produktionsstätten betreibt. Bereits 2020 war der Standort in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, es gab häufig Geschäftsführerwechsel.
Autozulieferer in Deutschland in der Krise
Viele Autozulieferer in Deutschland stecken aktuell in einer Krise. „Die Absatzprobleme der großen Autobauer führen zu ernsthaften Problemen bei vielen Zulieferern“, sagt Jens Katzek, Geschäftsführer des Branchennetzwerkes Automotive Cluster Ostdeutschland (ACOD).
In der Corona-Pandemie hätten die großen Hersteller aufgrund des Chipmangels viel weniger Autos produziert. „Das traf die Zulieferer mit voller Wucht, da Teile nicht abgenommen wurden“, erklärt Katzek.
Gleichzeitig müssten die Zulieferer, die Technik für Verbrennungsmotoren herstellen, in neue Geschäftsfelder investieren. „Da der E-Auto-Absatz aber auch nicht wie geplant in Fahrt kommt, gibt es weitere Absatzrückgänge“, so Katzek. Er beziffert diese auf eine Höhe von durchschnittlich 20 Prozent.
Werksschließungen und Stellenabbau in Sachsen-Anhalt
In Sachsen-Anhalt gab es im Vorjahr bereits eine Reihe von Werkschließungen und Stellenabbau in Unternehmen. So wurden beispielsweise das Magna-Werk in Roitzsch (Anhalt-Bitterfeld) mit 150 Mitarbeitern und das Harzer Werk von Elring-Klinger in Thale mit 30 Mitarbeitern geschlossen.
Das Unternehmen Bohai Trimet will am Standort Harzgerode (Landkreis Harz) und im Werk im thüringischen Sömmerda insgesamt 150 Stellen abbauen. „NTN Antriebstechnik“ in Gardelegen streicht 60 Stellen, der Zulieferer Ifa aus Haldensleben spart 100 Stellen ein. Als Faustformel nennt Katzek, dass auf eine Stelle, die bei den Autoherstellern wegfällt, zwei Stellen bei Zulieferern gestrichen werden.
Insolvenzen bei Boryszew: Mitarbeiter wütend auf Geschäftsführung
Im Fall von Boryszew sieht es laut Gewerkschaft jedoch so aus, dass der polnische Konzern seine deutschen Standorte abwickeln will. Im Vorjahr meldete bereits die Boryszew Oberflächentechnik GmbH im brandenburgischen Prenzlau Insolvenz an. Die rund 150 Beschäftigten haben laut IG Metall Ende November ihre Kündigung erhalten.
„Die Kolleginnen und Kollegen sind wütend auf die Geschäftsführung. Boryszew hat über Jahre hinweg Millionen-Subventionen von der öffentlichen Hand kassiert, unter anderem, um Beschäftigung in der Uckermark zu sichern“, sagt Holger Wachsmann, Geschäftsführer der IG Metall Ostbrandenburg. Auch der Werkzeughersteller Boryszew Formenbau im sächsischen Doberschau ging 2024 insolvent, 70 Mitarbeiter verloren ihren Job.
IG BCE will Zukunftskonzept für Standort in Gardelegen
IG-BCE-Gewerkschaftssekretär Braun will jetzt in Gesprächen mit der Firmenführung, dem vorläufigen Insolvenzverwalter und den Kunden darauf dringen, dass für Gardelegen ein „Zukunftskonzept erarbeitet wird.“ Die Gewerkschaft will auch auf den Großkunden VW zugehen, um über Abnahmeverträge zu sprechen. „Wir werden uns dafür einsetzen, dass ein neuer Investor für den Standort gefunden wird“, so Braun.
Das Amtsgericht Stendal hat als vorläufigen Insolvenzverwalter Silvio Höfer von Anchor Rechtsanwaltsgesellschaft aus Hannover eingesetzt. Dieser traf am Dienstag erstmals mit der Firmenführung und dem Betriebsrat zusammen. Laut Höfer laufe die Produktion trotz der Insolvenz weiter. Die Gehälter der Beschäftigten sind durch das Insolvenzgeld für die kommenden drei Monate gesichert.