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  7. Verzögerung der Intel-Ansiedlung in Magdeburg: Halbleiter-Experte im Interview

Verzögerung der Intel-Ansiedlung in Magdeburg Halbleiter-Experte: „Sollte Intel kippen, fehlt Europa ein Leuchtturmprojekt“

Der Halbleiterexperte Frank Bösenberg glaubt weiter an eine Ansiedlung in Magdeburg. Welche strategische Bedeutung diese hat.

Von Steffen Höhne Aktualisiert: 17.09.2024, 15:22
Frank Bösenberg, der Geschäftsführer des sächsischen Halbleiter-Netzwerkes  „Silicon Saxony“
Frank Bösenberg, der Geschäftsführer des sächsischen Halbleiter-Netzwerkes „Silicon Saxony“ Silicon Saxony

Halle/MZ. - Nach Ansicht des Halbleiterexperten Frank Bösenberg benötigt Europa die Ansiedlung der Intel-Chipfabrik in Magdeburg. Dort sollen Chips mit der kleinsten Struktureinheit hergestellt werden. Doch zeichnet sich bei Intel die „Amerika-First-Strategie“ bereits ab?

MZ-Wirtschaftsredakteur Steffen Höhne sprach mit Bösenberg, der Geschäftsführer des sächsischen Halbleiter-Netzwerkes „Silicon Saxony“, in dem Intel auch Mitglied ist.

Intel verschiebt die Ansiedlung in Magdeburg. Wie groß sind Ihre Hoffnungen, dass der Konzern noch kommt?

Frank Bösenberg: Im Moment ist das eine schwer zu beantwortende Frage. Intel hat die Fläche in Magdeburg bereits gekauft und die Planungen für das Projekt weit vorangetrieben. Es gibt bereits eine Baugenehmigung für die Gebäude. Daher bin ich zuversichtlich, dass das Projekt nur verschoben ist.

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Intel investiert zunächst in den USA. Sehen wir jetzt die „Amerika First“–Strategie, die nicht nur von Donald Trump, sondern real auch von der Biden-Regierung vertreten wird?

Ja, es ist sicher ein Baustein. Intel bekommt nun noch einmal drei Milliarden US-Dollar für eine rüstungsrelevante Produktion. Es zeigt, dass man in den USA die strategische Bedeutung der Chipindustrie viel stärker erkannt hat als Deutschland und Europa. Sollte das Intel-Projekt in Magdeburg kippen, fehlt auch das Leuchtturmprojekt in Europa.

Was heißt Leuchtturmprojekt? In Dresden investieren aktuell mehrere Chip-Hersteller wie TSMC aus Taiwan, Infineon und Bosch.

Es ist das bisher einzige europäische Projekt, das sogenannte Strukturgrößen unter zehn Nanometern ermöglicht. Diese sehr kleinen Chips werden beispielsweise für KI-Anwendungen benötigt.

Kann Europa das nicht allein? Vom niederländischen Unternehmen ASML werden die Maschinen für diese Intel-Chip-Produktion doch hergestellt?

In Japan wird dieser Ansatz versucht. Ein Konsortium von japanischen Firmen will diese kleinsten Chips produzieren. Doch um das aus dem Stand aufzubauen, sind wahrscheinlich nicht zehn Milliarden Euro staatliche Hilfe nötig, sondern 100 Milliarden.

Ist China schon soweit, solche Halbleiter herzustellen?

Nein, China kämpft, ist aber noch nicht in der Lage, diese Chips herzustellen. Das liegt auch an Technologie-Embargos von Seiten der USA.

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Anders als in Dresden gibt es in Magdeburg keine anderen Chip-Hersteller. Ist Intel vielleicht zu groß für Magdeburg, macht man sich von einem Player zu sehr abhängig?

Global gibt es nur drei Firmen, die diese kleinsten Chips herstellen können. Intel ist eine davon. Natürlich ist es ein Risiko, wenn ein Unternehmen in einer Wirtschaftsregion sehr dominant wird. Doch sollte Intel die Investition in Magdeburg realisieren, kann es der Auftakt für ein eigenes Chip-Cluster sein. Zudem lassen sich Aktivitäten aus dem Großraum Dresden mit Magdeburg verknüpfen.

Was muss die Politik aus Ihrer Sicht tun, damit das Projekt noch kommt?

Es gibt aktuell ja schon viele Diskussionen, wie die Mittel, die aktuell nicht abfließen, eingesetzt werden. Es wäre sicher hilfreich, wenn jetzt das Signal aus Berlin kommt, dass die Mittel auch zur Verfügung stehen, wenn Intel erst in zwei Jahren baut. Am Ende liegt der Spielball jetzt aber bei Intel. Das Unternehmen muss sagen, wie es weitergeht.