Branchen-Vergleich Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt steigt: Wo Jobs gestrichen und noch geschaffen werden
Die Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt erreicht zum Jahresende den höchsten Stand seit sechs Jahren. Warum es trotz Fachkräftemangels schwierig ist, einen neuen Job zu finden.
Halle/MZ. - Die anhaltende Wirtschaftsflaute in Deutschland und Sachsen-Anhalt wirkt sich auch zunehmend auf den Arbeitsmarkt aus. Die Zahl der Arbeitslosen habe den höchsten Stand in einem Dezember seit sechs Jahren erreicht, sagte Markus Behrens, Chef der Landesarbeitsagentur, am Freitag bei der Vorstellung des aktuellen Arbeitsmarktberichtes. Gleichzeitig seien die Stellenmeldungen auf den niedrigsten Stand seit sechs Jahren gesunken.
„Dies führt dazu, dass langzeitarbeitslose Menschen besonders große Schwierigkeiten haben, einen neuen Job zu finden“, so Behrens. Insgesamt waren 85.800 Frauen und Männer ohne Job und damit 3.468 mehr als im Vorjahresmonat. Die Arbeitslosenquote betrug 7,7 Prozent.
Viele Stellen sind in der Industrie verloren gegangen.
Die Entwicklung ist zwischen den einzelnen Branchen allerdings sehr unterschiedlich. Ein deutlicher Stellenabbau fand in der Industrie (ein Minus von netto 2.514 Stellen) und im Handel (minus 1.776 Stellen) statt. Mehr neue Stellen haben unter anderem Firmen aus den Bereichen Gesundheitswesen (plus 1.125) und Pflege (plus 940) geschaffen (siehe Grafik). Die Zahlen stammen von Ende Juni 2024 - aktuellere liegen nicht vor.
Insgesamt reicht das jedoch nicht aus, um das Beschäftigungsniveau zu halten. Behrens nennt dafür zwei Hauptgründe: Erstens litten die energieintensiven Branchen der Region unter hohen Energiepreisen. Auch bei Autozulieferern würden Jobs abgebaut. Zwei Beispiele: Die Firma Elring-Klinger schließt ihr Werk in Thale mit etwa 30 Mitarbeitern.In Harzgerode streicht der Zulieferer Bohai Trimet etwa 100 Stellen.
Immer mehr Unternehmen stoppen Neueinstellungen.
Klaus Wohlrabe, Wirtschaftsforscher am Ifo-Institut
Zweitens führe die demografische Entwicklung dazu, dass für zwei Austritte älterer Arbeitnehmer aus dem Arbeitsmarkt nur ein Eintritt erfolgt, so Behrens. Das führt dazu, dass Firmen Stellen nicht oder nur verzögert besetzen können. Laut der aktuellen Hochrechnung der Arbeitsagentur waren im September 2024 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – in Sachsen-Anhalt 802.300 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das waren 4.500 weniger als im Vorjahr.
Bundesweit ist die Arbeitslosigkeit im Dezember zwar auch gestiegen, doch bei der Beschäftigung erreichte Deutschland 2024 mit 46,1 Millionen sogar einen neuen Höchststand. Vor allem im Dienstleistungsgewerbe wurden neue Jobs geschaffen.
Der Bundestrend wird sich aber wohl nicht fortsetzen. „Immer mehr Unternehmen stoppen Neueinstellungen“, sagt Wirtschaftsforscher Klaus Wohlrabe vom Ifo-Institut in München. „Zudem diskutieren sie immer häufiger über einen Abbau von Arbeitsplätzen.“ Das Institut befragt monatlich 9.000 Unternehmen nach ihren Beschäftigungsabsichten. Das Ifo-Beschäftigungsbarometer liegt bei 92,4 Punkten. Ähnlich niedrig war es zuletzt in der Finanzkrise 2009 und kurzzeitig in der Corona-Pandemie im Sommer 2020.
Fachkräftemangel trotz zunehmender Arbeitslosigkeit
„Es werden manche Unternehmen Beschäftigung abbauen. In der Industrie vor allem, auch in der Baubranche. Aber diese Menschen werden anderswo unterkommen und gut unterkommen können“, ist Ökonom Marcel Fratzscher vom DIW im „Deutschlandfunk“-Interview optimistisch.
Dass dies aber nicht so reibungslos funktioniert, belegt der anhaltende Fachkräftemangel. Im Jahr 2023 gab es in Sachsen-Anhalt 23 sogenannte Engpassberufe, bei denen die Besetzung extrem schwierig ist. Bei den technischen Berufen werden vor allem Mechatroniker und Automatisierungstechniker sowie Bauplaner gesucht.
19.200 freie Stellen bei Arbeitsagenturen
Das Problem: „Von den Arbeitslosen suchen nur sechs Prozent eine Beschäftigung in einem Engpassberuf“, heißt es bei der Landesarbeitsagentur. Viele Erwerbslose könnten nur Helfertätigkeiten ausüben. Das heißt, die Qualifikation der Arbeitslosen und der angebotenen Stellen stimmt nicht überein. Immerhin bietet die Arbeitsagentur in Sachsen-Anhalt aktuell 19.200 freie Stellen.
Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Situation in diesem Jahr deutlich verbessert. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erwartet, dass die Zahl der Erwerbslosen im Land im kommenden Jahr um 2,3 Prozentpunkte steigt.