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Wartburg Wartburg: Leidenschaft für das DDR-Flaggschiff

Von Jan-Ole Prasse 09.04.2013, 20:39
Ein Traum aus Chrom: Der Kühlergrill des Wartburg 311 glänzt heute nur noch bei Oldtimer-Fans. 1965 wurde dieses Modell durch den Wartburg 312 abgelöst.
Ein Traum aus Chrom: Der Kühlergrill des Wartburg 311 glänzt heute nur noch bei Oldtimer-Fans. 1965 wurde dieses Modell durch den Wartburg 312 abgelöst. Günter Bauer Lizenz

Halle/MZ. - Nach der Wende überwintern. Das war das Motto für den Wartburg 353 von Manfred Arndt. 1990, im Jahr der Wiedervereinigung, stellte er ihn bei einem Freund in der Scheune unter. Batterie raus, Tor zu und erst einmal vergessen. 15 Jahre später sollte sich diese Entscheidung als glückliche Fügung erweisen. Arndt hatte die Nase voll, zu jedem Oldtimer-Treffen mit seinen restaurierten Motorrädern zu fahren, bei jedem Wetter. So kam ihm sein alter Wartburg, den er 1982 gebraucht gekauft hatte, wieder ins Gedächtnis. „Ich habe die Batterie wieder eingebaut und den Tank gefüllt. Er ist augenblicklich angesprungen, als ob er nie gestanden hätte“, sagt der 69-jährige Hallenser.

Schrauben wichtiger als Fahren

Es ist der Beginn einer großen Liebe. Mittlerweile besitzt Arndt drei Wartburg. Einen 311 von 1962 und einen 312 von 1965. Beide hat er wie seinen eigenen alten 353er in Eigenregie restauriert. Gerade das macht für ihn die Faszination aus. An diesem Auto könne man alles selber machen: Motor rausheben, Achsen entfernen, Kotflügel wechseln. „Schrauben ist für mich viel wichtiger als Fahren“, sagt Arndt, was man ihm sofort glaubt. Wenn er über technische Details und Unterschiede der einzelnen Wartburgtypen spricht, beginnen seine Augen zu leuchten. Eine beliebte Antwort bei ihm: „Das ist eine lange Geschichte, da muss ich von ganz vorne beginnen.“

Als Wartburg-Fan gehört er zu den Exoten. Deutschlandweit gibt es nach Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes nur noch 7 195 Wartburg, in Sachsen-Anhalt sind nach Angaben der Zulassungsstellen der Landkreise und Städte noch 932 (siehe „Fünf Modelle“) auf den Straßen unterwegs. Eine verschwindend kleine Zahl angesichts der 1,7 Millionen Wartburg, die bis zur Produktionseinstellung am 10. April 1991 im Eisenacher Automobilwerk vom Band liefen. Sein kleiner Bruder, der Trabant, schaffte es auf drei Millionen gebaute Autos.

Für Arndt gibt es kein begehrenswerteres Auto. Dabei ist er nicht wie viele andere Wartburg-Fahrer vom unvergleichlichen Räng-Däng-Däng beim Anlassen des Zwei-Takt-Motors oder vom Geruch der blauen Wolke vom Benzin-Öl-Gemisch begeistert. Der Rentner liebt das Eisenacher Auto für seine Beschleunigung. „Wenn sie den Motor richtig hochtourig fahren, können sie in der Kurve mit vielen heutigen Autos mithalten“, sagt Arndt, während er mit seinen Armen Kreisbewegungen macht. Und natürlich ist beim Wartburg viel Nostalgie dabei. „Der Wartburg galt in der DDR als richtig guter Wagen.“ Als ausgebildeter Radio- und Fernsehtechniker fuhr Arndt mit seinem privaten Wartburg im Auftrag einer Elektronikfirma durch Halle, um Fernseher zu reparieren. „Zu der Zeit habe ich gelernt, selber an den Wagen herumzuschrauben“, erzählt er. „So ist beinah ein zweiter Beruf entstanden.“ Und ein großes Hobby.

Auch einige Stücke aus seinem Ersatzteillager hat er dieser Zeit zu verdanken. Der Hallenser, der ab 1977 als selbstständiger Handwerksmeister für Musikelektronik gearbeitet hat, kaufte jedes Wartburgteil, das er bekommen konnte. Allerdings nicht nur zum Reparieren, sondern auch zum Handeln. „In der Werkstatt konnte man zur Not einen Anlasser oder einen Vergaser gegen eine Lichtmaschine tauschen“, erzählt er.

Für alle drei Wartburg hat sein Lager aber nicht ausgereicht. Dafür ist Arndt im Internet beim Auktionshaus Ebay aktiv. „Natürlich ist da auch ein wenig Jagdfieber dabei.“ Denn einen Wartburg zu restaurieren, ist alles andere als ein günstiges Hobby - gerade, wenn es nur Originalteile sein sollen. Arndt kann es zwar nicht exakt beziffern, aber in den 311er Wartburg hat er sicher 6 000 Euro investiert.

Mit dem Trabi Rallye gefahren

Bei der Restaurierung geht er immer gleich vor. Zunächst wird das Auto notdürftig fahrtüchtig gemacht, so dass er ein paar Runden drehen kann. „Erst beim Probefahren kann ich hören und spüren, was alles gemacht werden muss.“ Danach beginnt die Arbeit in der kleinen Werkstatt in einer der vier Garagen an seinem Haus. Er nimmt den Wartburg komplett auseinander, vom Motor über die Kotflügel bis hin zum Armaturenbrett. Dann wird ausgebessert, ersetzt und wieder Stück für Stück zusammengebaut. „Das dauert etwa ein Jahr.“

Der 69-Jährige ist aber über den Wartburg hinaus fasziniert von Autos. „Beim hundertsten, das ich mir gekauft habe, habe ich aufgehört zu zählen.“ Angefangen hat seine Sammelleidschaft aber mit Motorrädern. Sein Lieblingsstück ist eine alte tschechische Java, aber auch eine Schwalbe und einen Troll-Motoroller besitzt er. Ende der 60er Jahre hat er an Trabi-Rallyes in der DDR teilgenommen. Zwei Jahre ist Arndt bei den vom Allgemeinen Deutschen Motorsportverband organisierten Rennen mitgefahren.

Seine Begeisterung vor allem für den Wartburg hat er an seinen Sohn Matthias weitergegeben. Der wünscht sich seit Jahren einen 313er Wartburg Sport. „Das ist das Flaggschiff und unglaublich teuer“, sagt Arndt. Von diesem Modell sind nur 469 gebaut worden. Dabei war sein Sohn über seinen ersten Wartburg alles andere als erfreut. Im Jahr 1990 ersteigerte der Vater bei der Auflösung des Fuhrparks des Rates des Bezirkes Halles für 3 000 D-Mark einen Wartburg 1,3, der erst ab 1988 mit einem Motor von Volkswagen gebaut worden ist. „Als ich ihm den geschenkt habe, hat er gemault: ,Ich will ein Westauto fahren.’“

Manfred Arndt will in nächster Zeit für sich selber keinen Wartburg mehr kaufen. „Ich habe einfach keine Unterstellmöglichkeiten mehr.“ Und doch gibt es ein Fahrzeug, bei dem er schwach werden könnte: Einen Wartburg Camping mit umklappbaren Sitzen. Mit dem könnte er zur Oldtimer-Treffen fahren und direkt im Auto schlafen. Und vorher noch einmal richtig schrauben.

Wartburgproduktion in Eisenach
Wartburgproduktion in Eisenach
dpa Lizenz