Verlassene Orte in Sachsen-Anhalt Verlassene Orte in Sachsen-Anhalt: Am Ende der Arbeit

Halle - Zwei großformatige Bilderbücher aus der Region zeigen die Leere nach dem Schluss. Der Fotograf hatte dabei den Harz im Fokus. Sein Kollege Maix Mayer hat sich auf verlassene Arbeitsorte spezialisiert.
Fast sind Staub und Rost zu riechen in diesen Bildern, die der Fotograf Marc Mielzarjewicz für sein Buch „Lost Places - Harz“ in Orten wie Hettstedt, Sorge, Mägdesprung und Quedlinburg gemacht hat. In seinem fünften Fotoband porträtiert der Hallenser die Orte, die knapp ein Vierteljahrhundert nach dem Zusammenbruch der DDR wie vergessene Denkmale für eine Zeit stehen, in der die Welt noch viel kleiner war als heute und die Lebenskreise der Menschen sich an diese Grenzen zu halten hatten.
Arbeit gab es in der Saigerhütte Hettstedt
Arbeit gab es nebenan, in der Saigerhütte Hettstedt, beim VEB Farbchemie Quedlinburg oder in der Argenta Schokoladenfabrik. Und wenn die Knochen knirschten, die Lunge pfiff oder einfach mal wieder ein Jahr vorüber war, ging es zur Kur in die Knappschaftsheilstätte nach Sülzhain oder ins FDGB-Erholungsheim „Fritz Heckert“.
Geblieben davon sind Ruinen, wie sie auch Mielzarjewiczs Leipziger Kollege Maix Mayer in seinem Fotoband „Die vergessenen Orte der Arbeit“ zeigt. Klaffend leere Werkhallen, verblasste Warnaufschriften, verblichene Stundenbücher. Hier ist für immer Frühstückspause, hier ist die Zeit eingefroren in einem Schlussakkord, der nach knarrendem Holz und zersplitterten Fensterscheiben klingt.
„Ich war ja schon immer fasziniert von Architektur und beim Fotografieren an diesen Plätzen kommt noch ein kleines bisschen Abenteuerkitzel dazu“, beschreibt der 40-jährige Mielzarjewicz seine Motivation, nun schon seit Jahren an Orten zu fotografieren, die aus der öffentlichen Wahrnehmung gefallen sind. Der studierte Wirtschaftsinformatiker begann mit einer zur Jugendweihe geschenkten Exa 1b und nennt sich heute selbst „einen Profi, der es nicht für Geld macht“.
An den ehemaligen Industriekathedralen und brüchigen Gebäuden der Sanatorien, Ferienheime und Kurkliniken könne er sich der morbiden Faszination der Verlassenheit nicht entziehen. „Ist man erst mittendrin, verschlägt es einem den Atem“, sagt Mielzarjewicz, der ausnahmslos in dynamischen Schwarz-Weiß-Tönen fotografiert. „Ich sehe meine Bilder vorher schon im Kopf, und ich sehe sie schwarzweiß.“
Für immer im kollektiven Gedächtnis
Anders als Maix Mayer, der seinen archäologischen Foto-Ausgrabungen die Farbe lässt. Doch auch hier ist sie gedeckt, vom Staub der Zeit gedämpft. Farbe blättert, Regenwasser malt Muster, hinter bröckelndem Putz liegen Installationen blank. Sind es bei Marc Mielzarjewicz die Strukturen, die aus dem Spiel von Licht und Schatten klar hervortreten und das Vergehen der Zeit ungeschminkt zeigen, ist es bei Mayer oft der Gegensatz zwischen historischem Originalanstrich aus kränklichen, müden Farben und erst kürzlich hinzuaddierten Graffiti, die die Friedhöfe von einstigen Großbetrieben wie dem VEB Zetti Zeitz, dem Zündwarenwerk Riesa oder dem Kunstseidenwerk „Clara Zetkin“ schmücken und mit grellem Selbstbewusstsein vom Ende der Arbeit künden.
Beide Fotografen belassen es nicht bei Bildern, sondern sie erzählen, was die Bilder zeigen. Die Geschichte hinter den Mauern ist immer die Geschichte von Traditionen, von tausenden Arbeitsplätzen, von Hoffnungen, von Enttäuschung, von Aufstieg und Fall. „Die Dinge, die hier hergestellt wurden, sind im kollektiven Gedächtnis derer, die die DDR erlebt haben, für immer verankert“, heißt es im Vorwort von Mayers Buch. Geblieben von den Orten, aus denen sie kamen, sind Spuren, die nur sehen kann, wer sie sucht. Erstaunlicherweise erwarten ihn dann keine Trümmerlandschaften, sondern Bilder von eigener Ästhetik, eine Schönheit, die der fortlaufende Verfall nicht zu zerstören, sondern immer nur weiter zu verändern vermag.
Weitere Informationen: Marc Mielzarjewicz „Lost Places - Harz“ Mitteldeutscher Verlag, 19,95 Euro Maix Mayer „Die vergessenen Orte der Arbeit“, Mitteldeutscher Verlag, 24,95 Euro