Uta-Treffen in Naumburg Uta-Treffen in Naumburg: Im Namen der kühlen Schönen
Naumburg/MZ. - Zum ersten Mal sehen sie die Fotos. Schwarzweiß-Dokumente aus dem Naumburger Dom, die nicht nur ein Stück Familiengeschichte dokumentieren. Es sind Bilder aus den 40er Jahren, die zeigen, wie die Stifterfiguren im Dom mit Sandsäcken geschützt und eingemauert sind, um sie vor Kriegsschäden zu bewahren. "Mein Großvater Paul Schröter hat den Auftrag dazu gegeben. Er war zu der Zeit Stadtbaurat von Naumburg", sagt die 68-jährige Uta Loeser aus Hannover ergriffen. Ihr Mann Gerhard (75) ist der Neffe von Rudolf Loeser, dem Maurermeister, der die berühmten Kunstwerke damals eingemauert hat.
Kein Wunder, dass Loesers viel mit Naumburg verbindet. Bis hin zur Namenswahl: Uta Loeser, deren Eltern 1931 im Dom heirateten, ist nach der Frau benannt, ohne die heute kaum ein Kreuzworträtsel auskommt: Markgräfin Uta von Ballenstedt. Deren Skulptur im Naumburger Dom gilt als eine der genialsten Schöpfungen deutscher Bildhauerkunst.
Umberto Eco hat nach der Veröffentlichung seines Buches "Die Geschichte der Schönheit" einmal gesagt: Wenn er mit einem Wesen aus der Kunstgeschichte ausgehen möchte, wäre es Uta von Naumburg. "Da waren wir völlig baff. Wir hatten einen prominenten Fürsprecher", sagt Edith Klee, Leiterin des Tourist- und Tagungsservice und zweifellos ein Fan der weltberühmten Stifterfigur. "Man weiß so gut wie nichts über ihr Leben, ist aber fasziniert von ihrer Schönheit. Das ist eine Schönheit, die man nicht übersieht", sagt sie.
Seit gestern nun treffen sie sich in Naumburg: Utas aus der Region, aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich. Und viele von ihnen bringen Geschichten mit. Von Vätern, die einst Standesbeamten erst ein Foto der Skulptur vorlegen mussten, um ihr Kind Uta nennen zu dürfen. Oder einer Frau, die 1934 den letzten Urlaub mit ihrem später gefallenen Mann schwanger in Naumburg verbrachte - und ihr Kind als Erinnerung daran Uta nannte.
"Es gibt keinen anderen Vornamen, zu dem die Trägerinnen einen so engen Bezug haben", sagt Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich, Autor des Buches "Uta von Naumburg. Eine deutsche Ikone". Uta sei mehr als ein Name. "Viele Frauen sagen: Ich bin eine Uta. Als wäre das eine Marke", so Ullrich. Eine, mit der man kühle Schönheit, Anmut, aber auch ein Stück Emanzipation und Selbstbewusstsein verbindet. Heute ist der Name eher selten, die letzte Uta-Welle stammt aus den 60er Jahren. In den späten 30er und frühen 40er Jahren aber sei jedes 100. Mädchen Uta genannt worden. Und "viele hatten schon über dem Kinderbett ein Foto der Skulptur", so Ullrich.
Die Idee, sie bei einem Treffen zusammenzubringen, hatte schon Jahre in Naumburger Schubladen gelegen. Im Oktober 2007 wurde das Projekt schließlich vorgestellt. Und es dauerte nicht lange, bis die Organisatoren vom Tourist- und Tagungsservice sowie von den Vereinigten Domstiftungen zu Merseburg und Naumburg und des Kollegialstifts Zeitz ein nächstes Mal "baff" waren: "Im Dezember mussten wir die Flyer wieder einsammeln und die Werbung von unserer Internetseite nehmen", sagt Klee. Naumburg wurde förmlich überrannt von dem Interesse der Utas dieser Welt - Platz ist bei den offiziellen Veranstaltungen im Dom jedoch nur für 250 samt Anhang.
So liegen nun schon 199 Anmeldungen für ein zweites Uta-Treffen im nächsten Jahr vor. Es sind diejenigen, die diesmal nicht mehr berücksichtigt werden konnten. Und auch wenn es im kommenden Jahr dank eines Umzugs in den Lichterhof der Sektkellerei Platz für mehr Utas gibt - wer kommen will, sollte sich wohl bald anmelden. Einzige Voraussetzungen: der Name Uta und Interesse oder ein Bezug zur Markgräfin, deren Statue Mitte des 13. Jahrhunderts, rund 200 Jahre nach ihrem Tod, vom unbekannten "Naumburger Meister" geschaffen wurde.
Das gestern eröffnete erste Uta-Treffen steht ganz im Zeichen des Naumburger Meisters und der Stifterfigur. Die Teilnehmerinnen werden den Dom sehen und die Altstadt, sie werden ein Mittelalteressen erleben und eine Lesung von Wolfgang Ullrich. Und sie haben Gelegenheit, nicht nur Uta-Wein zu trinken, sondern erstmals auch die speziell von zwei halleschen Schmuckdesignerinnen entworfenen Kollektionen mittelalterlichem Schmucks mit Motiven der Stifterfiguren zu bewundern.
"Ich bin froh, dass ich mich rechtzeitig angemeldet habe", sagt Uta Loeser. 1961 haben sie und ihr Mann Naumburg verlassen. Sie sind aber immer wiedergekommen - in die Heimat, zu Uta.